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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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klar«, sagte Kolja mit grimmigem Unterton in der Stimme.
»Aber ich habe sie gesehen.«
    »Du warst schon mal hier?«
    »Nein, aber ich kenne Bilder davon. Wenn ich Recht habe,
dann ist dies hier der Zusammenfluss des Onon und des Balei. Und
dieser Gedenkstein wurde in den sechziger Jahren aufgestellt,
glaube ich.«
    »Also haben wir hier einen winzig kleinen Einschluss aus
einer anderen Zeit. Kein Wunder, dass den Kerlen die Kinnladen
runterhängen.«
    »Die Inschrift sollte in Altmongolisch verfasst sein,
aber niemand kann wirklich sagen, ob man es richtig hingekriegt
hat oder nicht.«
    »Denkst du, dass unsere Begleiter es lesen
können?«
    »Wahrscheinlich nicht. Die meisten Mongolen waren
Analphabeten.«
    »Das ist also ein Gedenkstein. Und wessen gedenkt
er?«
    »Eines achthundertsten Geburtstages…«
    Die Fahrt ging weiter auf die Kuppe eines letzten Hügels.
Und nun lag unter ihnen ausgebreitet auf üppig grünem
Grasland ein weiteres Jurtendorf – nein, kein Dorf,
korrigierte sich Kolja, eine Stadt.
     
    Es mussten wohl tausende von Zelten sein, die da in einem
regelmäßigen Gitternetzmuster angeordnet auf etlichen
Hektar Grund und Boden standen. Manche der Jurten waren nicht
eindrucksvoller als jene in Skakatais Dorf draußen in der
Steppe, aber im Zentrum der Siedlung befand sich eine weitaus
großartigere Anlage – ein ausgedehnter Komplex
miteinander verbundener Pavillons. Die ganze Stadt war von einer
Mauer umgeben, aber es gab auch »Außenbezirke«,
eine Art schäbige Vorstadt aus primitiver aussehenden
Jurten, die sich an die Außenseite der Mauer schmiegten.
Aus allen Richtungen führten Straßen über die
Ebene zu den Toren in der Mauer. Auf den Straßen war viel
Bewegung, und über der Stadt selbst verdichtete sich der
Rauch, der aus den Jurten stieg, und hing als hellbrauner Smog
über allem.
    »Lieber Himmel«, sagte Sable, »ein
Zelt-Manhattan!«
    Vielleicht. Aber auf dem grünen Land hinter der Stadt sah
Kolja riesige Herden Schafe, Ziege und Pferde, die dort friedlich
grasten. »Genau wie in den Überlieferungen
beschrieben«, murmelte Kolja, »sie waren immer in
erster Linie Nomaden. Sie beherrschten die Welt, aber das
Einzige, was sie interessierte, waren Weiden für ihre Tiere.
Und wenn es Zeit ist, die Winterweiden aufzusuchen, dann wird
diese ganze Stadt abgerissen und nach Süden
verfrachtet…«
    Ein letztes Mal setzten sich die Pferde in Trab, und es ging
den flachen Hang hinab auf die Jurtenstadt zu.
    Am Tor hielt ein Wachtposten in einem blauen, mit Sternen
bestickten langen Hemd und Filzhut sie auf.
    »Denkst du, die Unseren wollen uns verkaufen?«,
fragte Sable.
    »Vielleicht verhandeln sie nur über die Bestechung
für den Einlass«, sagte Kolja. »In diesem Reich
ist schon alles Eigentum der herrschenden Aristokratie –
der Goldenen Familie. Skakatais Leute können uns gar
nicht verkaufen, wir gehören dem obersten Herrscher
ohnehin.«
    Endlich wurde der Gruppe der Durchgang freigegeben. Der
Kommandant der Wache teilte ihnen einen Trupp Soldaten zu, und
Sable, Kolja und ein einziger ihrer mongolischen Begleiter,
zusammen mit dem hochbeladenen Karren, wurden in die Stadt
eskortiert.
    Es ging durch eine breite, von aufgewühltem Morast
bedeckte Gasse direkt zu dem großen Zeltkomplex mitten im
Zentrum. Die Jurten links und rechts waren zwar imposant und zum
Teil mit prächtigen Stoffen ausstaffiert, doch Koljas
erster, überwältigender Eindruck war der Gestank
– wie in Skakatais Dorf, nur vertausendfacht; Kolja musste
sich zusammennehmen, um den Brechreiz zu unterdrücken.
    Gestank oder nicht, in den Gassen zwischen den Jurten
drängten sich die Menschen – und nicht nur Mongolen.
Man sah Chinesen und vielleicht Japaner, Männer, die aus dem
Mittleren Osten, aus Persien oder Armenien zu kommen schienen,
Araber – und sogar rundäugige Westeuropäer. Die
Leute trugen fein gearbeitete Blusen, Stiefel und Hüte, und
viele hatten schweren Schmuck um den Hals, an den Handgelenken
und an den Fingern. Die auffällig gefärbten Overalls
der beiden Kosmonauten zogen einige neugierige Blicke auf sich
– ebenso wie die Raumanzüge und andere Dinge auf dem
Karren –, aber niemand schien wirklich an ihnen
interessiert.
    »Sie sind an Fremde gewöhnt«, bemerkte Kolja.
»Wenn wir uns bei der Einschätzung der Ära nicht
geirrt haben, dann ist dies hier die Hauptstadt eines Reiches,
das einen ganzen Kontinent

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