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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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spricht nur zu Mitgliedern seiner Familie und vielleicht ein paar
wichtigen Vertrauten wie Yeh-lü. Der Rest der Menschheit
zählt nicht.«
    »Ja, ja! Egal, es geht voran, Kolja. Bloß erst ein
paar Tage hier, und wir sind schon so weit gekommen… Jetzt
müssen wir uns nur überlegen, wie wir die Sache richtig
anpacken.«
     
    Sie wurden in einen überaus prächtigen Raum
gebracht. Die Wände waren mit üppigen Stickereien und
Wandteppichen bedeckt, und auf dem Boden lagen so viele Schichten
Teppiche und dicke Decken, dass sich der Untergrund beim
Darüberschreiten ganz weich anfühlte. Der Raum war
voller Menschen. Höflinge bewegten sich zielstrebig durch
das Gewühl, bullige, bewaffnete Soldaten standen an den
Wänden aufgereiht und durchbohrten die Kosmonauten, die
anderen Anwesenden und selbst einander mit ihren Blicken. In
einer Ecke spielte leise ein Lautenorchester aus schönen,
sehr jungen Mädchen.
    Und trotz all dieser Pracht war es doch nicht mehr als eine
Jurte, bemerkte Kolja bei sich, und der vorherrschende Gestank
nach schmierigen Körpern und geronnener Milch war ebenso
schlimm wie in Skakatais bescheidenem Heim.
»Barbaren«, murmelte er vor sich hin. »Sie
wussten nicht, wozu Städte und Bauernhöfe da waren
– außer um sie auszurauben. Sie plünderten die
ganze Welt aus und lebten dennoch wie Ziegenhirten in Zelten, in
denen sich die Reichtümer stapelten. Und in unserer Zeit
werden ihre Nachkommen die letzten echten Nomaden sein, die ihre
barbarischen Wurzeln nicht abstreifen
können…«
    »Halt das Maul!«, zischte Sable.
    Sie folgten Yeh-lü in die Mitte der Jurte. Rund um den
Thron, der das Zentrum dieses großen Raumes bildete, stand
eine Anzahl glattgesichtiger junger Männer, die einander
merkwürdig ähnlich sahen; vielleicht die Söhne des
Herrschers, dachte Kolja. Sein Blick fiel auf die vielen Frauen,
die vor dem Thron saßen. Alle sahen hübsch aus, obwohl
einige von ihnen nahezu sechzig Jahre alt sein mochten. Doch die
jungen waren zum Teil atemberaubend schön. Ehefrauen oder
Konkubinen?
    Yeh-lü trat zur Seite, und sie standen vor dem
Herrscher.
    Er saß sehr aufrecht auf seinem reich verzierten Thron,
schlank und nicht sehr groß. Er war um die sechzig, wirkte
aber äußerst kräftig und gut in Form. Ein rundes
Gesicht, Nase, Mund und Augen klein – sehr asiatisch
–, der Bart sauber und gepflegt, kaum ein Hauch Grau in
seinem Haar. Er hielt eine Faust voll Fallschirmseide fest,
während er die Kosmonauten unverwandt ansah. Dann wandte er
sich zur Seite und murmelte einem seiner Berater etwas zu.
    »Er hat Augen wie eine Katze«, stellte Sable
fest.
    »Sable, du weißt, wer das ist, oder?«
    »Na klar!« Zu Koljas Erstaunen grinste sie –
aufgeregt, nicht ängstlich.
    Dschingis Khan betrachtete sie beide mit einem Blick seiner
schwarzen Augen, der nicht zu deuten war.

 
{ 21 }
RÜCKKEHR NACH JAMRUD
     
     
    Bei Tagesanbruch wurde Bisesa vom Schmettern der Trompeten
geweckt. Sie streckte sich und als sie aus dem Zelt trat, war die
Welt in Blaugrau getaucht. Überall im Flussdelta erschollen
die Trompetentöne, und der Rauch der nächtlichen Feuer
stieg in den jungen Tag.
    Sie befand sich tatsächlich im Feldlager Alexanders des
Großen; dies war kein Traum – oder Albtraum. Doch am
Morgen vermisste sie ihre Tochter immer besonders, und selbst an
diesem erstaunlichen Ort fehlte Myra ihr.
    Während der König und seine Ratgeber entschieden,
was getan werden sollte, hatten Bisesa, de Morgan und die anderen
die Nacht im Lager verbracht. Man hielt die Menschen aus der
Neuzeit zwar unter ständiger Bewachung, hatte aber ein
eigenes Schlafzelt zur Verfügung gestellt. Das Zelt selbst
bestand aus Leder, es war abgenutzt, abgestoßen und es stank – nach Pferden, nach Speiseresten, nach Rauch
und nach dem Schweiß von Soldaten; dennoch war es ein
Offizierszelt, und nur Alexander und seinen Generälen
standen luxuriösere Unterkünfte zur Verfügung.
Aber sie waren ja alle Soldaten und ans raue Leben gewöhnt
– alle außer Cecil de Morgan, und er war klug genug,
sich nicht zu beklagen.
    Eigentlich war de Morgan den ganzen Abend überaus
schweigsam gewesen; nur seine Augen hatten gefunkelt. Bisesa
hatte ihn im Verdacht, die ganze Zeit über zu spekulieren,
wie viel er aus seiner neuen Rolle als unersetzlicher Dolmetscher
herausschlagen konnte. Nichtsdestoweniger murrte er immerzu
über den »barbarischen« Akzent,

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