Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
Suche nach Auskünften über ihre Verschwörung beinahe zerbrochen. Dabei hatte ich das, was ich wissen wollte, die ganze Zeit direkt vor Augen. Wenn ich euch jemals wiedersehe …«
Abdul grinste und hob die geschlossene Hand mit der Hostie. »Drohungen sind so hässlich.«
Ferron wandte sich ab. Er betrat den quemadero , packte Agnes an ihrem heilen Arm und führte sie vom Scheiterhaufen weg. Ein anderer Inquisitor eilte ihm nach und murmelte etwas von Unregelmäßigkeiten, aber Ferron scheuchte ihn mit einer Handbewegung fort.
Er brachte Agnes zu Abdul und Geoffrey. Sie sah grotesk aus; ihre Füße und Hände waren blau vor Kälte, ihre Brustwarzen hart wie rosa Kiesel. Ihr zerschlagenes Gesicht war leer.
Abdul legte die Hostie in Ferrons Hand. Im Gegenzug ließ Ferron das Mädchen los. Agnes taumelte, und Geoffrey nahm ihre dünne, zitternde Gestalt in die Arme.
Ferron funkelte Abdul und Geoffrey wütend an. »Es ist noch nicht vorbei.« Er wandte sich ab.
Geoffrey nickte. »Der Kampf um die Zukunft hat also begonnen.«
»Aber jetzt«, sagte Abdul, »müssen wir uns erst einmal auf der Notwendigkeiten der Gegenwart konzentrieren.« Er nahm seinen dicken maurischen Umhang ab und legte ihn Agnes um die bloßen Schultern.
XXIII
1491 n. Chr.
James liebte es, in die heiße, stille Luft über Granada zu steigen, dem Gezänk der Menschen und den Rätseln der Ethik zu entfliehen, sich ins Reich der Vögel, Wolken und Sterne zu erheben – in Gottes Reich. Die saubere, raue spanische Brise gewährte ihm noch mehr Unterstützung beim Fliegen als die regnerische Luft über Englands grünen Hügeln. Und in langen Übungsstunden hatte er gelernt, seine Maschine immer höher in den Himmel zu treiben, auch wenn die elastische Energie der Start-Armbrust bereits aufgebraucht war. Der Trick bestand darin, aufsteigende Massen warmer Luft zu suchen, unsichtbare Fontänen in einer ozeanartigen Atmosphäre, die ihn wie ein Blatt im Wind emportragen würden.
Und er hatte noch nie etwas so Außergewöhnliches gesehen wie an diesem hellen Oktobertag: Granada, das letzte maurische Königreich, und die christliche Militärstadt, die davor hochgezogen worden war.
Die Alhambra ähnelte einem riesigen, mitten im Land gestrandeten Schiff, der Arche Noah auf dem Ararat. Irgendwo in dieser Festung hatte sich der arme Boabdil verschanzt, vielleicht der letzte Emir von al-Andalus.
Die Stadt Granada war ein grauer Klecks rund um die Alhambra, gesprenkelt vom glitzernden Gold der Moscheedächer. An diesem Morgen war die Luft über der Stadt braun vom Rauch, denn Granada platzte von Flüchtlingen aus allen Nähten. Und James sah eine dünne schwarze Linie von Karawanen und Maultierzügen, die nach Süden wollten, Muslime auf der Flucht zur Meerenge und den Ländern Afrikas, wo sie mit offenen Armen empfangen werden würden.
Er drehte von der Festung ab und flog über Santa Fé hinweg, den »Heiligen Glauben«, die auf der Ebene vor Granada entstandene Lagerstadt der Christen. In einem Rund von Mauern und Gräben war sie ein Kruzifix aus Gebäuden mit einem glitzernden Haufen von Waffen am Schnittpunkt des senkrechten Pfostens und der Querstrebe des Kreuzes. Santa Fé sah solide aus, als wäre es Jahrhunderte alt, und doch war es praktisch über Nacht aus dem Boden gewachsen, als die Monarchen ihre Truppen in Sichtweite der Alhambra gebracht hatten. Das Bautempo hatte die muslimischen Verteidiger verwirrt, aber es gehörte zu Fernandos Listen; die »Stadt« bestand mehr aus Holzgerüsten und Stoff als aus Stein.
Nun war der Krieg also endlich nach Granada gekommen. Die endgültige Niederlage El Zagals, des Tapferen, Bruder des toten Emirs Muley Hacen, lag zwei Jahre zurück. Jetzt gab es nur noch Boabdil, einen solch glücklosen Emir, dass die Christen ihn El Chico nannten, den Kleinen, und er selbst sich als »der Unglückliche« bezeichnete. Mehr als einmal besiegt
und eingekerkert, hatte er bereits den Bedingungen einer endgültigen Kapitulation zugestimmt. Aber seine Untertanen fanden es abstoßend, wie er beim Sturz seines Onkels frohlockt hatte, und Boabdil war gezwungen gewesen, zum Schein Widerstand zu leisten. Also wurde Granada belagert, und in Santa Fé versammelten sich sechzigtausend caballeros .
Und in jenem langen Sommer der Belagerung, der Verhandlungen und der köchelnden Spannung, der beinahe gladiatorenhaften Kämpfe christlicher und muslimischer Recken, war Cristóbal Colón erneut an den Hof gerufen worden. Es
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