Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
die Hände vor den Leib; klein wie die eines Kindes, waren sie sauber geschrubbt und rosa und wiesen keine Anzeichen von Schwielen oder Narben auf. »Wir sind uns schon einmal begegnet, Vater«, sagte er zu Sihtric. Sein Akzent war seltsam. »Ich bin Abu Yusuf Yunus.«
»Ah ja. Der Ägypter.«
»Mein Großvater war Ägypter«, sagte Abu Yusuf Yunus steif. »Meine Gattin stammt aus der Banu-Zuhr-Familie. Ich bin ein enger Freund von Abd al-Malik, bei dessen Vater – Muhammad Ibn Marwan
Ibn Zuhr – mein Vater Allgemeinmedizin studiert hat. Überdies hat mein Großvater bei al-Zahrawi studiert. Bei der Behandlung dieses armen Kindes haben wir uns an die Vorschriften des al-Tasrif gehalten …«
Orm grunzte ungeduldig und zog Sihtric beiseite. »Was plappert er da?«
»Er trägt nur seine Referenzen vor. Um sicherzustellen, dass ich weiß, wer er ist und wo er steht. Ich hab’s dir ja gesagt, Orm, bei den Mauren dreht sich alles um die Familie. Sie sind alle Ibn dies oder Abu das, der Sohn von diesem oder der Vater von jenem, und tragen ihren Stammbaum wie eine Fahne vor sich her. Und diese Gelehrten sind genauso, sie prahlen alle mit ihrer akademischen Abstammung, wer wen was gelehrt hat.«
Abu Yusuf Yunus, der ihre englischen Worte nicht verstehen konnte, ging zu dem verletzten Jungen. In gestelztem Latein sagte er: »Die Maschinerie des Wasserrads hat den Arm unter dem Ellbogen fast abgetrennt – Muskeln, Arterien und andere Blutgefäße waren allesamt zerrissen, auch der Knochen war fast durchschnitten. Insofern ähnelt die Verletzung den Folgen eines Schwerthiebs. Aber der Unterarm wurde zerquetscht, das Fleisch zu Brei zermantscht und der Knochen zermahlen, als wäre der Junge beispielsweise niedergetrampelt worden.« Ghalib schaute trübe zu ihm auf und ließ es sich widerstandslos gefallen, als der Chirurg mit energischen Bewegungen den Verband an seinem Arm abzunehmen begann. »Euer junger Christ …«
»Robert«, knurrte Orm. »Mein Sohn.«
»Robert hat dem Jungen das Leben gerettet – nicht nur, weil er ihn aus dem Wasser gezogen hat, sondern auch, weil er den verletzten Arm mit einem Stück Seil unter der Schulter abgebunden und dadurch die Blutung gestillt hat.«
»Das war ich«, sagte Hisham sofort. Und er starrte Robert an, als sollte er es ja nicht wagen, dieser nackten Lüge zu widersprechen.
»Dann bist du ein Held, ebenso wie Robert – vielleicht sogar noch mehr, weil du dein Gehirn statt deine Muskeln gebraucht hast. Gut gemacht. Wirklich gut gemacht.«
Robert wandte den Blick ab. Orm legte ihm die Hand auf die Schulter.
Nachdem Abu Yusuf Yunus den Verband abgenommen hatte, zeigte er ihnen den verwundeten Arm. Grob zurechtgeschnittene Hautlappen waren über den Stumpf gefaltet und mit Darmsaiten vernäht. Aus den Nähten sickerten Blut und ein gelblicher Eiter. Abu Yusuf Yunus klatschte in die Hände. Krankenpfleger kamen eilig mit Schüsseln voller Wasser und Öl herbei und begannen, die Wunde abzuwischen. Ghalib wand sich, aber die Pfleger hielten ihn fest.
»Ich musste den zerquetschten Unterarm natürlich amputieren«, sagte Abu Yusuf Yunus. »Die Verletzungen waren so schwer, dass das Hauptproblem darin bestand, genug intakte Hautlappen übrig zu behalten, um die Wunde später vernähen zu können. Anschließend hat es einige Arbeit gekostet, die durchtrennten
Blutgefäße und Arterien zu finden und zu verschließen. Arterien haben die Eigenart, sich von einem Schnitt zurückzuziehen, und dann muss man da drin herumwühlen.« Er wackelte auf grässliche Weise mit seinen rosa Fingern. »Nachdem das erledigt war, musste die Wunde nur noch gesäubert, kauterisiert und zugenäht werden. Die Gefahr ist nun, dass es zu einer Infektion kommt – dieses Bad im Flusswasser war da sicher nicht gerade hilfreich –, aber falls sich Wundbrand entwickelt, haben wir auch dafür Behandlungsmöglichkeiten.«
»Du hast erstaunlich gute Arbeit geleistet«, sagte Sihtric überschwänglich.
Der Chirurg nahm das verdiente Lob nickend und mit halb geschlossen Augen entgegen.
»Ärzte«, knurrte Orm, an Robert gewandt, »die sind doch alle gleich. Hab ihnen nie getraut. Schau dir dieses Rindvieh an. Interessiert sich weniger für seinen Patienten als dafür, sich mit seinen Leistungen zu brüsten, sich in Positur zu werfen und Anerkennung zu ernten.«
»So siehst du das also?« Die Stimme war leise, samtig, aber auch ein wenig undeutlich. »Vielleicht bist du wirklich ein Barbar,
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