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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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erlebt. Sie frieren die Situation einfach für ein paar Stunden ein, während sie ihn ausnüchtern. Und ich habe einige der Mittelchen gesehen, die sie benutzen. Ein paar habe ich selbst probiert. Manchmal lassen sie einen zur Ader oder reiben einem zermahlene Elefantenstoßzähne auf die Zähne. Manche Kalifen waren derart dekadent, dass die Aufgabe, sie so weit auszunüchtern, damit sie sich in der Öffentlichkeit blicken lassen konnten, zur Einrichtung einer kompletten Bibliothek medizinischer Ratschläge geführt hat.«
    »Sag uns einfach die Wahrheit, Sihtric«, wiederholte Orm.
    Sihtric beäugte ihn. »Was ist denn deiner Meinung nach die Wahrheit?«
    »Dass sie ein Liebespaar sind«, platzte Robert heraus. »Ibn Tufayl und Moraima. Oder vielleicht ist es sogar noch schlimmer. Vielleicht hat dieser alte Bock von einem Wesir sie mit Gewalt genommen.«
    Orm musterte die Wachen. »Ich nehme an, unsere Bewacher sprechen kein Englisch. Aber ich wäre nicht bereit, mein Leben darauf zu verwetten. Überleg dir, was du sagst, Robert.«
    »Ein Liebespaar?« Sihtric seufzte. »Wenn es nur so einfach wäre …«
    Er sagte, alles habe mit seiner Einsamkeit angefangen.
    »Vergesst nicht, ich bin als Gelehrter hierher gekommen.
Meine Skizzen von Kriegsmaschinen haben den Wesir wie erhofft fasziniert, und er hat mir ein kleines Gehalt bezahlt. Und wie schon gesagt, ich konnte mir aus eigener Kraft noch etwas dazuverdienen, indem ich Mozarabern arabische Bibelübersetzungen verkauft und mich um ihre Seelennöte gekümmert habe. Und als ich Zugang zu den Bibliotheken des Emirs bekam, entwickelten sich meine Interessen über den engen Bereich von Aethelmaers Entwürfen hinaus. So hat mich zum Beispiel der Werdegang der Mauren in Spanien interessiert. Und die geheime Geschichte, die ich entdeckt habe … nun gut. Das heben wir uns für ein andermal auf, Orm, aber wir müssen darüber reden, denn es hat zentrale Bedeutung für mein Leben erlangt.
    Ich hatte allerdings nicht erwartet, dass diese kleinen Anzeichen von Unabhängigkeit einen Mann wie den Wesir beunruhigen würden. Aber dies ist eine Zeit der Uneinigkeit in al-Andalus, eine Zeit des Aufruhrs und der Gefahr. Angesichts von Feinden sowohl am Hof der taifa als auch außerhalb muss der Wesir wissen, wem er vertrauen kann. Nein, mehr als das: Er kann nur denjenigen trauen, deren Seele er voll und ganz besitzt.«
    »Und darum«, sagte Orm, »hat er sich darangemacht, dich in Besitz zu nehmen.«
    »Ja.« Sihtric seufzte erneut. »Er sieht meine Schwächen nämlich deutlicher als ich selbst – du kannst meinen Beichtvater fragen, es stimmt. Ich war allein, Orm. Niemand hier interessiert sich auch nur im Mindesten
für England. Für die Mauren erstreckt sich die zivilisierte Welt von Damaskus bis Córdoba, und Europa ist eine kalte, dunkle Region voller streitsüchtiger Kleinstaaten, weit weg und ohne Bedeutung, es sei denn als Quelle von Sklaven. Und ich bin ein Mann«, sagte er leise, als wäre dies das allerschlimmste Geständnis. »Ein einsamer Mann in einer von erstaunlicher Sinnlichkeit geprägten Atmosphäre …«
    Wie manche Kalifen vor ihnen waren die Herrscher in Sevilla verschwenderisch und zügellos, mit einem Hang zu großen Gesten, spektakulären Auftritten und Vergnügungen. In ganz al-Andalus, ja sogar in der gesamten islamischen Welt sprach man von ihrem Hedonismus. »Ich will euch ein Beispiel nennen. Es gab einen Prinzen, dessen Gemahlin, eine Christin aus dem Norden, weinte, weil sie den Schnee im Winter vermisste, den sie nie wieder sehen würde. Darum befahl er einer Legion von Gärtnern, einen ganzen Wald in Blüte stehender Mandelbäume auszugraben und auf dem Platz unter ihrem Schlafzimmerfenster aufzustellen. Sie taten es bei Nacht, und sie waren sehr leise. Und als sie aufwachte, konnte ihr Gemahl sagen: ›Da, meine Geliebte, ich habe dir deinen Schnee gebracht!‹ Eine solche Geste kann ich mir bei William dem Bastard nicht vorstellen – ihr etwa?«
    Orm lächelte nicht. »Und in dieser Atmosphäre der Zügellosigkeit ist deine Seele weich geworden.«
    »Ich wurde verführt«, sagte Sihtric. »Als Erstes kam ein kleiner Junge zu mir, ein Schüler, schlank, dunkel, mit Augen wie ein Reh. Wenn wir arbeiteten, saß er
ganz nah bei mir, er brachte mir Geschenke – Blumen in Glasschalen und dergleichen. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe es eigentlich gar nicht bemerkt; die Arbeit war mein Ein und Alles. Dann ist er eines Nachts in mein Bett

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