Die Zeitbestie
er das temporale Feldnetz, das sich von dort aus durch seinen Körper zog.
»Nein, denn deine Vorräte sind durch deine Tragfähigkeit begrenzt, und obwohl du auf einem Großteil der Reise Nahrung findest, wirst du trotzdem auf einer langen Etappe nicht so leicht welche auftreiben. Saphothere bringt dich mit einem Mantisal so weit wie er nur kann.«
Tack war froh, das zu erfahren – so weit man hier überhaupt von so etwas sprechen konnte, hielt er diesen Mann für seinen Freund. Saphothere zeigte ihm gegenüber keine Verachtung mehr, sondern Respekt. Aber andererseits waren diejenigen, die den Titel ›Reisender‹ tragen durften, in ihrem Denken weniger provinziell als die übrigen Heliothan.
»Danach setze ich den Weg aus eigener Kraft fort – und zerreiße Cowl die Kehle«, sagte Tack brutal.
»O ja, ganz gewiss.« Maxell lächelte.
Tacitus starrte durch die Gischt auf die Ruderer und verfluchte sich selbst für das Mitgefühl, das er so unvermittelt für sie empfand: Sie waren Kriegsbeute, Sklaven und das Eigentum Roms, keine Bürger. Jedenfalls würden sie, selbst von den Ketten befreit, kein anderes Ende finden als alle Übrigen an Bord dieser Galeere, falls sie sank. In diesem Seegang würden sie alle ertrinken. Er blickte zu den unheimlichen Lichtern auf, die nach wie vor um den Mast und das gereffte Segel spielten, bat um Mithras’ Segen und bahnte sich seinen Weg bugwärts.
Sein durchnässter Mantel flatterte im Sturm, und er hielt sich krampfhaft an den Sicherungstauen fest, während er sich die Rampe über den Ruderern entlangtastete. In diesem Augenblick inmitten der heulenden Nacht schlug der Blitz in den Mast ein und sprang zum Bug des Schiffes herunter, begleitet von einem Krachen, als würde ein Berg bersten. Tacitus fiel auf die Knie und glaubte schon, dass sein Ende gekommen war. Hinter sich hörte er einige seiner Männer Gebete in den Sturm rufen. Als er wieder nach vorn blickte, blinzelte er kräftig, um klar sehen zu können, denn sicherlich hatte er dort etwas erblickt, was in der Nacht aufragte, aber jetzt konnte er nichts weiter erkennen als schwelende Planken und Flammensylphen. Er kämpfte sich weiter nach vorn, bis er auf dem Vorderdeck Trümmer und die Leichen zweier seiner Männer entdeckte, deren Rüstung rauchte und deren Haut geschwärzt war. Diese Reise lag unter einem Fluch, das wusste er jetzt. Dann fiel sein Blick auf den seltsamen Gegenstand, der wie eine Klette an der Reling klebte.
Es handelte sich um eine Armschiene, das wusste er sofort. Es war eine Gabe von Mithras für eine noch bevorstehende Schlacht. Er griff danach und schrie, als sich ihm die dornige Oberfläche in die Hand bohrte. Ein Wellenbrecher schwappte über die Flanke der Galeere, und die übergossenen Galeerensklaven schrien und strampelten. Tacitus stürzte, hielt dabei aber den Gegenstand fest, der sich von der Reling löste. Ohne zu zögern, schob er den Arm hinein. Agonie packte ihn, begleitet von einem tiefen, nagenden Vergnügen von beinaher sexueller Natur. Blut strömte aus dem Arm, und die Armschiene schloss sich darum und verband sich mit ihm. Innerhalb weniger Minuten hatte sie sich fest angeheftet, und das Meer und der Regen spülten sein Blut hinweg. Er hob den Arm und grüßte seine Männer am Heck mit geballter Faust. Dann hetzte der eifersüchtige Gott Neptun eines seiner Monster auf das Schiff.
Die Riesenschlange stieg aus dem Meer auf. Die gewaltige Schleife ihres Körpers zog sich durch die verschleierte Nacht, dann drehte sie den augenlosen Kopf und das entsetzliche senkrechte Maul und rammte damit die Schiffswand. Tacitus wurde erneut von den Beinen gerissen. Als er sich aufgerappelt hatte und zu einem Haltetau weiter im Innern gestolpert war, blickte er hinab und sah, dass das Monster die Schiffsflanke aufgebrochen hatte und jetzt die Sklaven verschlang. Das Innenleben des Mauls drehte sich wie ein Mühlstein und zog die schreienden Sklaven an ihren Ketten hinein. Es bestand kein Zweifel daran, dass die Galeere sinken würde, also war dies vielleicht die Schlacht, zu der Tacitus aufgerufen war. Er zog sein Gladius und sprang hinunter ins Chaos. Er schlug die Sklaven zur Seite, die ihn in ihrem Pidgin-Latein anbettelten, er möge sie freigeben, und verzweifelt nach ihm griffen, und bahnte sich den Weg zu dem Grauen, das die Galeere zerkaute. Er hob die Waffe und rammte sie in die Wand aus Fleisch. Einmal, zweimal, aber scheinbar ohne Wirkung. Dann peitschte ein Tentakel neben
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