Die Zeitbestie
Flugabwehrgeschützes, ehe sie Frank ins Innere folgte. Sie brachten weitere Treppen und Leitern hinter sich, und Polly erhielt einen undeutlichen Eindruck von einem Ort, der bis zum Anschlag voller Männer und Ausrüstung war und vernebelt von Zigarettenqualm. Schließlich fand sie sich in einer Kantine wieder, wo sie auf nichts anderes mehr achten konnte als den Küchenduft.
Bald konzentrierte sie sich nur noch auf ein Kasino-Tablett voller nicht identifizierbarer Klumpen, das man vor sie stellte, und ein Stück Brot, das man danebenklatschte. Alles andere verblasste zur Bedeutungslosigkeit, als sie eine Gabel zur Hand nahm und zu essen begann. Es schien nur Augenblicke gedauert zu haben, da war das Tablett schon leer und sie wischte die Sauce auf.
»Wie ich sehe, könntest du etwas mehr gebrauchen?«, fragte Frank.
Polly nickte stumm.
Drei Portionen später blickte sie in Franks amüsiertes Gesicht auf. Eine enorme Erschöpfung überfiel sie, und sie fand gerade noch die Zeit, das Tablett wegzuschieben, ehe ihre Stirn auf den Tisch fiel und der Schlaf sich auf sie senkte wie eine schwarze Daunendecke. Dann schüttelte sie jemand, anscheinend ohne dass irgendeine Zeitspanne vergangen wäre.
Der Ozean aus Schwärze verwandelte sich in Weiß, und der Himmel nahm wieder einen vertrauteren Eindruck an: graue Wolken, zwischen denen ein tiefes Blau hervorschimmerte. Die Schwerkraft packte zu und zerrte ihn auf die harten Knochen des Mantisals hinab. Tack starrte die neuen Farben an und saugte sie wie ausgehungert auf. Das eine musste man über die Zwischenwelt sagen: Sie hatte überhaupt keine Farbe. Noch einen Augenblick länger blieb jedoch alles unwirklich, und Tack bemerkte, dass der Reisende die Umgebung wachsam absuchte. Dann verschob er die Haltung einer Hand in einem der Augen der Gottesanbeterin, und sie waren nun vollständig angekommen.
»Raus. Raus jetzt«, kommandierte der Reisende und zog beide Hände aus den Kugeln zurück.
Tack packte den Rucksack und zog sich auf die Lücke zu, durch die er ins Mantisal gestiegen war. Er stürzte, versuchte sich abzufangen und stellte dankbar fest, dass er in einer Schneeverwehung landete. Als er sich daraus befreit hatte und den Schnee von seinem ruinierten Mantel strich, sprang der Reisende auf eine Grasfläche in der Nähe, die nur leicht mit Schnee überpudert war. Er federte sich in der Hocke ab und richtete sich wieder auf. Tack hob den Blick zum Mantisal, und als er sah, wie es in jener unbeschreiblichen Dimension versank, wandte er sich rasch ab. Als er von neuem hinsah, war es fort, und er erblickte nur noch den Himmel, vor dem sich die eine oder andere Vogelsilhouette abzeichnete. Tack hob den Rucksack auf, hängte ihn sich auf den Rücken und wandte sich dem Reisenden zu.
Das Gesicht des seltsamen Mannes war von Erschöpfung gezeichnet, und Tack fiel auf, dass die Augen jetzt von bräunlich-goldener Färbung waren, wie abgestumpft von der Müdigkeit.
»Dort hinüber«, sagte der Reisende und deutete auf den Rand eines dichten Waldes in der Ferne. Sie machten sich dorthin auf. Einen Augenblick später setzte der Reisende hinzu: »Bist du nicht neugierig darauf, wo oder eher wann wir hier sind?«
Tack starrte ihn stumm an.
»Ah«, sagte der Reisende. »Du darfst reden.«
»Ich bin neugierig«, gab Tack zu, nachdem er wieder Redeerlaubnis hatte.
»Willkommen im frühen Pleistozän«, sagte der Reisende und deutete mit beiden Händen um sich. »Der Neandertaler ist derzeit die vorherrschende Form des Menschen, aber Menschen wie du tauchen allmählich auf, und es wird nur noch etwa hunderttausend Jahre dauern, bis sie die Vorherrschaft antreten. In deiner Zeit glaubt man, dass eure Leute den Neandertaler ausgerottet hätten. Die Wahrheit lautet jedoch, dass eine Krankheit die Artengrenze übersprang, übertragen von den Beutetieren der Neandertaler; sie hat die meisten von ihnen umgebracht. Viele der Überlebenden paarten sich mit deiner Art, und ihre DNA findet man selbst zu meiner Zeit noch.«
Wie überaus interessant, dachte Tack, wohl wissend, dass er sich wahrscheinlich Prügel eingehandelt hätte, falls er seinen Gedanken laut aussprach. Er blickte sich um und stellte sofort fest, dass er sich in keiner ihm bekannten Gegend befand, denn sein Leben lang hatte er nie eine Landschaft gesehen, die völlig unberührt von Eingriffen des Menschen war. Vielleicht fand man dergleichen zu seiner Zeit noch in den unbesiedelten Gebieten der Antarktis, aber
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