Die Zeitbestie
von der schrecklichen Krankheit, obwohl sie ihn in vielerlei anderer Hinsicht schmerzte.
In der Jurte wickelte er das tote Mädchen in gegerbtes Ziegenleder, um sie für die Reise warm zu halten, und machte sich daran, das Leder zuzunähen. Er tat es, weil man die Toten stets auf diese Weise ehren sollte, obwohl er das Mädchen nicht begraben würde, da das, was auf dem Berg hauste, die Leichen forderte. Nachdem er die Tote aus der Jurte gezerrt hatte, trat er zunächst ans Lagerfeuer und kontrollierte, ob der Eintopf in seinem Felltopf ausreichend Wasser enthielt, denn wenn nicht genug Wasser durch das Fell sickerte, verbrannte der Topf und floss der Inhalt ins Feuer. Aus den übrigen Jurten hörte er die Menschen stöhnen und nach Wasser und Nahrung verlangen, aber er kümmerte sich nicht darum – ihr Lärm zeigte, dass sie noch am Leben waren. Dann kehrte er zu dem toten Mädchen zurück, warf es sich über die Schulter und ging durch den Wald zurück zum Berg, wo es wartete.
Nichts schien das Monster zufrieden zu stellen, und Ygrol hatte wirklich alles probiert, was in seinen Kräften stand. Das Untier hatte die Reste des Mammutfleisches aus der Lagerhöhle geholt und ihm zweimal das Beutetier geraubt, als er es auch nur einen Augenblick lang unbewacht ließ. Er glaubte, das Monster womöglich durch andere Opfer befriedigen zu können, und ging dazu über, die flachgesichtigen Fremden für das Monster zu töten und zum Berg zu schleppen. Aber das schien überhaupt keinen Unterschied zu machen. Jetzt sah es danach aus, als könnte er es seinen Leuten nur noch so bequem wie möglich machen, während sie starben, und dann ihre Leichen als Opfergaben zum Berg tragen. Aber was kam, wenn sie alle tot waren?
Die Gabe lag noch auf dem Stein, wo der Stamm kleinere Tiere geschlachtet und Felle zum Auskratzen ausgebreitet hatte; und manchmal wog das Verlangen, hinzugehen und sie aufzuheben, beinahe schwerer als das Pflichtgefühl seinem Volk gegenüber. Er wusste jedoch, dass er seinen Leuten dadurch geraubt würde. Er wusste, dass die Kreatur auf dem Berg das von ihm wünschte. Er wagte allerdings nicht, den Stamm zu verlassen, ohne dass jemand zurückblieb, der für die Menschen sorgte.
Ein dumpfer Aufprall erschütterte die Ziegenhaut mit dem toten Mädchen darin, und er dachte, dass sich ein Aasvogel gerade auf ihn gestürzt hatte. Er zog den Knochenprügel aus dem Gürtel und blickte sich zwischen den Bäumen um. Dann entdeckte er die beiden Flachgesichter, die auf ihn zurannten, und ein Blick zur Seite zeigte ihm den Pfeil, der sich in die traurige Last auf seiner Schulter gebohrt hatte.
Ygrol überlegte, ob er fliehen sollte. Er hatte seinen Speer nicht dabei, und er wusste, wie tödlich die kläglich wirkenden Waffen dieser Leute waren. Um zu fliehen, hätte er jedoch das Mädchen zurücklassen müssen, und obwohl er unterwegs war, um sie dem Monster zu übergeben, war er nicht bereit, sie diesen armseligen Exemplaren der menschlichen Gattung zu überlassen. Er nahm die Tote ein Stück tiefer, sodass sie über seiner Brust lag, brüllte und griff an. Ein weiterer Pfeil grub sich in seine Last, durchschlug das Bein des Mädchens und drang mit der Spitze in seine Brust ein. Der Bogenschütze hatte sich auf ein Knie gesenkt und bemühte sich noch, einen weiteren Pfeil anzulegen, als Ygrol in ihn hineinkrachte und ihn mit einem Schlag des Knüppels zur Seite schleuderte, sodass der Schädel aufplatzte und das Gehirn fast ganz hinausspritzte. Ohne innezuhalten setzte Ygrol dem anderen Mann nach, der die Flucht ergriff. Er warf den schweren Knochenknüppel von hinten gegen die Beine des Mannes, um ihn zu Fall zubringen. Einen Augenblick später war er schon über ihm und setzte die Leiche des Mädchens nicht einmal ab, während er das Leben aus dem Emporkömmling von Cro-Magnon heraustrampelte. Auf dem Berg legte er dann seine zwei Opfer zu beiden Seiten des Mädchens nieder, damit sie sie auf ihrer Reise begleiteten, und ging wieder nach Hause. Unterwegs versuchte er daraus schlau zu werden, wie der erbeutete Bogen und die Pfeile zu bedienen waren.
Als der Neandertaler wieder kurz vor dem Lager war, brauchte er nicht lange, um zu bemerken, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Als Erstes roch er verbranntes Fleisch, und als er dann auf die Lichtung trat, hörte er niemanden mehr stöhnen. Der Felltopf war zerrissen und der Eintopf verschüttet, und der Gestank rührte von den paar kleinen Fleischbrocken her, die
Weitere Kostenlose Bücher