Die Zeitbestie
im Feuer lagen. Auch die Jurten waren aufgerissen und entleert worden – nichts war darin mehr zu finden außer dem einen oder anderen blutigen Tierfell. Ygrol brüllte vor Wut, rannte zum Schlachtstein und sprang hinauf. Er verfluchte die Götter des Himmels, des Gesteins und der Erde und verdammte die Geister aller Ahnen, die von ihren Lagerfeuern am Nachthimmel herunterblickten. Und wie zur Antwort spaltete sich die Luft über dem Lager, und das Bergmonster tauchte auf, nur dass diesmal nichts von ihm verborgen blieb. Ygrol erblickte in diesem Augenblick den Geist jedes Tieres, das er für den Topf geschlachtet hatte, und wusste, dass die Abrechnung bevorstand. Er blickte zu der Gabe zwischen seinen Füßen hinab, überlegte, sie mit dem Knüppel zu zerschmettern, hob sie dann jedoch nur auf.
Tief im Wald hörten die Cro-Magnon-Menschen einen Schrei des Trotzes und der Wut aus dem Lager der Neandertaler, das sie gerade umzingelten. Nie fanden sie jedoch denjenigen, der so viele aus ihrem Stamm umgebracht hatte. Nicht mal Knochen.
Kapitel 10
Statusmeldung Modifikation:
Einige Ergänzungen des Sinnesapparats werden sich als Aerogel-Netz auf dem Außenskelett bilden, in der Funktionsweise ähnlich der Seitenlinie eines Fisches – seinem strömungsempfindlichen Sinnesorgan –, nur dass das Netz ein breites Strahlungsspektrum empfängt. Somit macht es Augen überflüssig, ein Glücksfall, denn die Schnittstellenorgane, die unbedingt dicht am Gehirn des Kindes liegen müssen, beanspruchen einen großen Teil des Gesichts und lassen dort nur wenig Platz für anderes. Die Position des Mundes habe ich beibehalten, aber ihn mit Modifikationen ausgestattet, die für eine effizientere Nahrungsaufnahme gebraucht werden. Nase und Augen fehlen jedoch. Auch wird ein beträchtlicher Schutz der Schnittstellenorgane nötig, da sie ausgesprochen empfindlich sind. Zum Glück habe ich etwas entdeckt: eine nur geringfügige Veränderung des Gens, das für das Wachstum des Außenskeletts zuständig ist (gemeinsam mit den Mundmodifikationen dem Genom eines Skarabäus-Käfers entnommen), führt zur Ausbildung von ›Deckflügeln‹ im Gesicht. Ich denke, ich weiß schon, wie ich mein Kind nennen werde.
Er lag flach auf dem Boden seiner Hütte, die Augen nach oben verdreht und der Körper starr vor Ekstase. Es stank in der Hütte. Der Mann stank. Polly blickte mit einer Grimasse auf ihn herab, ging dann zu der über dem Feuer aufgespießten Ente und riss ein Bein ab. Die beiden Pflaster, die sie dem Mann auf die Brust geheftet hatte, während sie mit den Händen unter seinem stinkenden Fell herumfuhr, führten ihn an einen Ort, den er nie zuvor gesehen hatte. Sie fragte sich, warum sie diese Vorgehensweise gewählt und ihn nicht einfach mit dem Taser flachgelegt hatte. Vermutlich hatte sie angesichts seiner armseligen Lebensbedingungen etwas Mitgefühl mit ihm gehabt.
Während sie dasaß und aß und jeden Mund voll mit bitteren Schlucken aus einem Weinschlauch hinunterspülte, hörte sie seine Frau immer noch wütend draußen herumstapfen. Zuvor hatte er sie angebrüllt, als sie protestierte, und die Frau blickte Polly daraufhin voller Hass und Angst zugleich an. Polly wurde jetzt klar, dass sie gehen musste, ehe der Mann wieder zur Besinnung kam und sich fragte, was zum Teufel mit ihm passiert war. Sie warf den Entenknochen ins Feuer und packte die restliche Ente, riss das faserige Fleisch mit den Zähnen heraus. Den Rest von zwei flachen, dreckigen Brotlaiben steckte sie sich in die Taschen und blickte sich dann um. Sie entdeckte jedoch nichts weiter, was sie hätte mitnehmen wollen – jedenfalls keine weiteren Lebensmittel. Nach einem letzten Blick auf den prähistorischen Mann, den sie ins Drogenkoma geschickt hatte, verließ Polly die Hütte. Die Frau blickte von der primitiven Handmühle auf, mit der sie eine Art Getreide mahlte. Sie plapperte etwas, was Polly nicht verstand. Polly schätzte sie nicht viel älter ein, als sie selbst war, aber die Frau wirkte schrecklich erschöpft, wie Marjae, als es mit ihr zu Ende ging. Hinter ihr zankten sich zwei nackte Bälger im Dreck. Polly ging an ihnen allen vorbei zu der Stelle, wo das Fellboot am Inselufer lag. Die Frau schrie protestierend, als Polly in das kleine Vehikel stieg und sich mit dem Paddel abstieß, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
Der Himmel war rot vom Sonnenuntergang, als Polly schließlich an einer anderen Insel landete und ans Ufer kroch. Sie machte sich aus
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