Die Zeitdetektive 02 Der rote Racher
sich hin und artete immer mehr in ein
Gelage aus. Kim war überrascht, mit welcher Geschwindigkeit die Patrizier den süßen, schweren Wein tranken.
Regina hatte sich längst zurückziehen dürfen, doch Kim
flitzte unentwegt zwischen Küche und Triclinium hin und
her. Als zweiter Gang wurden gefüllte Haselmäuse und –
als besondere Attraktion – gebratener Strauß serviert. Nur einmal legten die Männer während dieser Völlerei eine kurze Pause ein: Sie gingen ins Atrium und
brachten den Laren ein Opfer dar. Das Ganze dauerte
nicht länger als zwei Minuten, dann wurde weitergefeiert. Nachdem die Diener feinste Eierkuchen mit Pinienkernen und Nüssen als Nachtisch gereicht hatten,
traten Musiker und leicht bekleidete Tänzerinnen auf.
Die Stimmung unter den Männern wurde noch ausgelassener.
Kim war dazu übergegangen, ganze Krüge mit Wein
hereinzubringen, dann brauchte sie nicht wegen eines
einzelnen Glases zu rennen. Inzwischen ging es auf
Mitternacht zu. Kim fürchtete, dass die fröhliche Runde heute wohl nichts Wichtiges mehr besprechen würde.
Mein Verdacht war anscheinend ganz unbegründet.
Die Männer scheinen völlig harmlos zu sein, dachte das
Mädchen müde. Hoffentlich haben Leon und Julian
mehr Erfolg als ich.
Am liebsten wäre Kim gleich ins Bett gegangen, aber
ihr Dienst war noch nicht beendet. Das Mädchen hielt
sich in Rufweite des Speisezimmers auf und spielte eine
Zeit lang mit Kija. Die Feier wollte kein Ende nehmen.
Kim hockte sich an die Wand, ließ den Kopf auf die angezogenen Knie sinken und döste ein.
Eine Viertelstunde mochte vergangen sein, als Kim
von Kija geweckt wurde. Kim schreckte hoch und wusste
für einen kurzen Moment nicht, wo sie sich befand.
Dann aber hörte sie wieder den Gesang der Musiker und
das Gegröle der Feiernden aus dem Triclinium. »Wein, mehr Wein! Beim Bacchus !« , brüllte Marcus. Dienstbeflissen sauste Kim in die Küche und füllte
einen Krug mit frischem Wein. Als sie zurückkehrte,
stellte sie fest, dass die Männer in den Garten umgezogen waren. Offenbar war die Luft im Triclinium zu heiß und stickig geworden. In Marcus’ Garten, der von einem Peristyl, einem überdachten Säulengang, umgeben wurde, plätscherten mehrere Wasserspeier und trugen zur Kühlung bei.
Kim füllte die Gläser nach. Dabei fiel ihr ein alter Mann auf, der sich ein wenig abseits hielt und die anderen kritisch und von oben herab musterte. Dieser Mann hatte vorher am Mahl nicht teilgenommen. Er musste später gekommen sein. Er war auffallend groß und schlank. Seine Gesichtszüge waren kantig und hart. Er hatte buschige Augenbrauen und der Mund war nur ein Strich. Als er Kim mit seinen dunklen Augen ansah, schienen sie Kim wie ein scharfes Schwert zu durchdringen. Rasch sah sie zur Seite, aber sie spürte den Blick des Mannes weiter auf sich ruhen. Kim fühlte sich ertappt und beeilte sich, wieder in die Küche zu kommen. Doch damit war Kija nicht einverstanden. Sie zupfte an Kims Tunika so lange, bis das Mädchen ihr widerstrebend zurück in den Garten folgte.
Überrascht stellte Kim fest, dass es dort nun mucksmäuschenstill geworden war. Marcus und seine Gäste standen um den großen Mann herum und schienen auf etwas zu warten. Kim duckte sich rasch hinter einer Bronzestatue.
»Nun, Gaius, willst du für uns in die Zukunft se
hen?«, fragte Marcus. Seine Stimme verriet Ungeduld. Ein Augur ! , dachte Kim und ihre Müdigkeit war wie
weggeblasen.
»Ich will es versuchen«, gab der Große ruhig zurück.
»Lasst mir die Leber eines Schafes bringen.«
Kurz darauf rannte ein Sklave mit dem Gewünschten
heran. Er lief direkt an der Statue vorbei, hinter der sich
Kim verbarg, bemerkte aber das Mädchen und die Katze
nicht.
Der Augur legte die Leber auf einen kleinen Altar im
Peristyl. Die anderen Männer umringten ihn in ehrfurchtsvollem Abstand.
»Na, Gaius, wie steht es um die Zukunft unseres Kaisers?«
»Sei still, ich muss mich konzentrieren.« Der Augur
beugte sich dicht über die Leber und begann, vor sich hin
zu murmeln. Kim verstand leider kein Wort. Dann hob
der Augur die Arme zum Himmel und stieß einen heiseren Schrei aus. Erschreckt fuhren die Zuschauer zurück. »Was ist, Gaius?«
»Der Kaiser, der Kaiser«, stammelte der Augur. »Unser Kaiser ist in Gefahr!«
»Ach, tatsächlich?«, fragte Marcus aufgeregt. »Was
siehst du noch?«
Der Augur schüttelte den Kopf. »Nichts Gutes, meine
Freunde, nichts Gutes, beim Jupiter. Ich sehe schwarze
Wolken über ihm. Ich sehe
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