Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
Vom Netzwerk:
auf seinem ausgestreckten Arm nieder.
    Simon, Moon und Salomon rannten auch um die Straßenecke. Schnell hatten sie Basrar eingeholt.
    »Ich hab euch in die Augen gesehen, so wie ihr es wolltet«, sagte Basrar unvermittelt, ohne sich nach den dreien umzudrehen. »Und ich erkannte starke Gefühle darin. Gefühle echter Freundschaft und Sorge.« Nun wandte er sich Simon zu: »Noch nie habe ich mich jemandem so nahe gefühlt wie dir in dem Moment, als du mich aufgefordert hattest, dich anzusehen. Deshalb gehe ich den Weg, den du mir aufgezeigt hast, und ich hoffe, dass mein Eindruck mich nicht trügt und du mir keine Falle gestellt hast.« Sein Blick wanderte zu den beiden anderen. »Ich danke euch. Vielleicht kann ich meine Familie doch noch vor dem Untergang bewahren. Ich werde tun, was ihr mir geraten habt, und mit meiner Mutter und meinen Schwestern noch heute aus der Stadt fliehen. Unser Gott Eschmun hat uns gezeigt, dass jedem Sterben ein Erwachen folgt.« Er blickte sich in den Straßen um, die ihm einstmals so vertraut waren. »Sollte diese Stadt sterben, so gibt es für uns vielleicht ein neues Leben. An einem anderen Ort. Du hast mir die Hoffnung dazu geschenkt, Simon. Und dafür danke ich dir. Ich danke euch allen dreien für euren Mut, mich in diesem Krieg aufzusuchen.«
    Er wandte sich schon zum Gehen um. »Werde ich euch wiedersehen?«
    Simon schüttelte den Kopf. »Wir werden dich in bester Erinnerung behalten, Basrar.«
    »Ich werde mit meinen Gedanken ebenfalls immer bei euch sein. Ich habe euch wohl vieles zu verdanken«, entgegnete Basrar und mit einem breiten Lächeln setzte er ein leises »Freunde!« hinterher.
    Moon trat dicht an ihn heran und legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Olakolkiciyapi«, flüsterte er und erklärte sanft: »Freundschaft und Frieden für dich!«
    Basrar ließ diese Worte noch kurz in seinem Inneren nachklingen, dann rannte er los. Zurück zu seiner Familie.
    Simon, Moon und Salomon sahen ihm nach, bis er ihren Blicken entschwunden war.
    »Er wirkte glücklich«, sagte Salomon schließlich. »Glücklicher, als ich ihn je auf dem Seelensammler gesehen habe.«
    Moon war der Erste, der die nachdenkliche Stille zwischen den dreien durchbrach: »Die Sonne geht bald unter. Wir sollten uns auf den Weg zurück zum Schiff machen.«
    Salomon nickte, doch Simon zögerte: »Ich hätte eine Bitte. Seht euch um, die Kämpfe in den Straßen haben nachgelassen. Die Schlacht um Karthago wird wohl am Tempel entschieden. Ich bitte euch, mit mir noch einmal den Weg zu gehen, den wir gekommen sind. Ich möchte an dem Haus vorbei, unter dem Neferti liegt. Ich kann Karthago nicht verlassen, ohne mich von ihr zu verabschieden.«
    Moon lächelte wehmütig und er nickte zustimmend. »Ja, das ist ein guter Gedanke.
    Zu dritt liefen sie wieder zurück und erreichten die Straße, aus der sie gekommen waren.
    Simon fand sich in diesem Straßennetz erstaunlich schnell zurecht, und so brauchten sie nicht lange, bis sie die Ruine erreicht hatten.
    Beim Anblick der Trümmer, unter denen ihre Freundin lag, schnürte es ihnen allen die Kehle zu. Es war einfach schrecklich, hier zu stehen, an dem Ort, an dem die Katastrophe stattgefunden hatte.
    Schweigend stellten sie sich vor die Trümmer des Gebäudes. Jeder dachte an Neferti, daran, was sie gemeinsam erlebt und worüber sie miteinander gesprochen hatten.
    Simon kam auf einmal ihre erste Begegnung in den Sinn. Es schien ihm, als ob seither Jahre vergangen waren. Jahre zwischen dem Augenblick hier und dem Augenblick an der Reling des Seelensammlers, als Neferti ihre Hand auf die seine gelegt hatte, um ihm die Angst vor all dem Neuen und Fremden zu nehmen.
    »Mach es gut, Neferti«, flüsterte er.
    Moon begann, leise in seiner Sprache zu reden. Es klang wie ein Gebet. Ein Gebet in seiner Lakota-Sprache. Worte, die Simon und Salomon nicht verstehen konnten, die aber trotzdem starke Gefühle in ihnen weckten: Trauer und Schmerz, aber auch Sehnsucht und Hoffnung.
    Mit dem letzten Wort des Indianers beendeten sie ihren Besuch. Wortlos traten sie den Weg zurück zum Seelensammler an.
    Doch plötzlich hielt Simon inne: »Habt ihr das gehört?«
    »Was?«
    »Mir war, als ob …« Er zuckte zusammen. »Da, schon wieder. Es klingt, als würde …«
    Hastig rannte er zurück zur Ruine. Moon und Salomon folgten ihm verständnislos. »Was hast du denn?«
    Simon legte eine Hand an die Lippen und bedeutete seinen Freunden zu schweigen. Und in diesem Moment vernahmen

Weitere Kostenlose Bücher