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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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Das also war Scipio: der Mann, der den Befehl Roms ausführte, Karthago zu zerstören. Er war verantwortlich für all das Leid und das Sterben dieser untergehenden Stadt. Hier stand er und machte seine Scherze, während nur wenige Meter von ihm entfernt, auf dem Hügel der Stadt, Menschen verzweifelt versuchten, ihr Leben, ihre Heimat zu verteidigen. Simon hätte ihm ins Gesicht spucken können.
    Scipio trat noch näher an Neferti heran. Allerdings hatte er seine Hand zurückgezogen und vermied es, sie zu berühren.
    »Du hattest mir doch eine Ägypterin versprochen«, fuhr er den Zenturio an. »Aber sieh selbst: Dies ist nur noch der Schatten einer Ägypterin. Dieses Mädchen ist mehr tot als lebendig. Einen Stoß in die Rippen und sie fällt mir leblos um.« Jetzt drehte er sich auf dem Absatz zu dem Zenturio um und funkelte ihn aus wütenden Augen an. »Verstehe ich das richtig?Ich verlasse meinen Posten an dem Tag meines wohl größten Triumphes, nur weil du mir ein Geschenk von unschätzbarem Wert versprochen hast? Ich drehe der Stadt, die noch in dieser Nacht mein sein wird, den Rücken, bloß um von dir eine Gruppe Halbtoter ausgeliefert zu bekommen? Ich komme Senator Catos Wunsch, Karthago brennen zu lassen, noch nicht nach, weil du mich hierher beorderst: nur um mir diesen Kübel voller Krankheiten zu überreichen? Verstehe ich das alles richtig?«
    Dem Zenturio lief der Schweiß inzwischen in Strömen die Stirn hinunter. Er setzte zu einer Antwort an, doch Scipio hatte seine Rede noch nicht beendet: »Ich verlasse also meinen Posten auf dein Geheiß, um mich einmal abzulenken von all dem … dem …«
    Seine Stimme wurde auf einmal leiser, ein beinahe wehmütiger Ausdruck huschte über sein Gesicht, als er fortfuhr: »… von diesem Sterben. All diesem … Hier zerstören wir eine Stadt von Menschen, die einst unsere Freunde waren. Lange, lange, bevor …« Er senkte den Kopf.
    Simon war überrascht. Er hätte alles von diesem gefürchteten Feldherrn erwartet, doch niemals dieses: Zweifel an seinem eigenen Tun. Hier stand er, Roms gnadenloser Konsul, und sprach so schwermütig, fast zweifelnd, über seinen Auftrag …
    Doch dieser Moment war schnell vorbei. Schon hatte sich Scipio gefangen und mit scharfer Stimme fuhr er den Zenturio an: »So versuche ich mich also für einen Augenblick abzulenken von all dem Sterben, doch was bietest du mir? Weiteres Elend. Kranke, halb verfallene Menschen.«
    Wieder verneigte sich der Zenturio tief vor seinem Konsul. Er schien regelrecht in seiner Rüstung zu schrumpfen. Mit gesenktem Kopf versuchte er, die Situation zu retten: »Vergiss dieseMannschaft, oh mein Gebieter. Wirf sie einfach über Bord. Gib sie den Fischen zu fressen. Sie sind eure Aufmerksamkeit nicht wert. Doch lasst euren Blick noch einmal über dieses wunderbare und ungewöhnliche Schiff schweifen. Habt ihr je schon einmal etwas Vergleichbares gesehen? Nehmt dieses Schiff als mein Geschenk und übergebt diese kranke Brut Neptun, unserem Meeresgott.«
    Scipio dachte nach. Sein Blick wanderte abschätzend über die Masten, die Kajüte und das Deck des Seelensammlers und blieb schließlich auf Simon, Moon und Neferti ruhen.
    »Das ist das erste vernünftige Wort, das ich heute von dir zu hören bekomme«, verkündete er zufrieden. »Futter für die Fische, Flammen für die Karthager und ein Geschenk für Scipio. Das gefällt mir.«
    Er schnippte in Richtung der Legionäre, die Nin-Si gefangen hielten. »Bringt mir das Mädchen hierher und fesselt sie an Händen und Füßen!«
    Nin-Si wurde zu ihren Freunden geschleift, dicht an Simons Seite.
    »Was ist mit Moon?«, raunte sie ihm rasch zu.
    »Erkläre ich dir später«, erwiderte Simon knapp, doch mit Blick auf all die Legionäre um sie herum fügte er noch ein unsicheres »Vielleicht« hinzu.
    »Zenturio, du hast mich nicht enttäuscht«, dröhnte wieder die Stimme des Konsuls über das Schiff. »Ich nehme dieses Schiff als dein Geschenk an und es wird dir nicht zum Nachteil gereichen. Doch den unnötigen Ballast werft ab. Diese jämmerliche Mannschaft soll den Toten auf dem Meeresgrund Gesellschaft leisten. Auch wenn es mir wirklich das Herz bricht, eine Ägypterin auf diese Art zu verlieren.« Noch einmal bauteer sich vor Neferti auf. »Schade um dich, mein Kind. Du wärst der Schmuckstein meiner Kriegsbeute geworden.«
    Damit wandte er sich ab. Er trat auf die Holzplanke zu und setzte bereits einen Fuß darauf, bevor er verkündete: »Vergesst nicht den

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