Die Zeitensegler
sie es alle drei: »Hilfe!«
Es war tatsächlich Nefertis Stimme! Leise. Schwach. Aber doch ganz eindeutig ihre Stimme.
Die Freunde hasteten an den Schutt und begannen erneut zu graben. Simon kümmerte sich nicht um seine wunden Hände. Wichtig war nur, ihre Stimme gehört zu haben.
Neferti war am Leben! Am Leben! Er hätte bis zum nächsten Morgen mit bloßen Händen gegraben, nur um sie wiederzusehen, doch das war nicht nötig. Schon nach einiger Zeit schaute Nefertis Hand aus den Trümmern heraus und sofort griff Simon danach.
»Neferti, wir sind hier. Wir retten dich! Halte aus!«
Sie konnten Nefertis Antwort nicht verstehen. Die Ägypterin schien sehr schwach zu sein. Ihre Stimme drang nicht mehr bis an die Ohren der Retter.
Nun räumten sie das Geröll vorsichtiger beiseite, allmählich wurde ihre Gestalt unter den Steinen sichtbar, und endlich konnten sie das Mädchen aus ihrem Gefängnis befreien: Neferti lag unter einem großen Steinbrocken, der sich aus dem Dach gelöst hatte. Dieser hatte einen Schild über Neferti gebildet und ihr auf diese Weise Schutz vor weiteren herabfallenden Steinen geboten.
»Ein Wunder!«, brachte Simon fassungslos hervor, doch Neferti wehrte mit einem schwachen Lächeln ab.
»Sieben Leben«, hauchte sie. »Ich bin Neferti, die Katze. Das müsstest du doch inzwischen wissen.«
Simon stiegen Tränen der Freude in die Augen. »Wir dachten, du bist tot, aber du liegst hier herum und machst noch deine Scherze! Komm, wir bringen dich zurück zum Schiff!«
»Moment!« Neferti hob die Hand. »Sagt mir erst, ob ihr Basrar gefunden habt.«
»Er ist gerettet«, sagte Simon beruhigend und ihre Miene hellte sich auf. »Noch heute wird er mit seiner Familie flüchten und ein neues Leben beginnen.«
Moon und Simon halfen Neferti auf die Beine und griffen ihr stützend unter die Achseln, während Salomon vorausging und ihnen den Weg sicherte. Doch die Kämpfe um die Stadt fanden inzwischen ausschließlich auf dem Hügel statt. Die Karthager bündelte jetzt all ihre Kräfte, um wenigstens noch das Heiligtum des Gottes Eschmun gegen die Römer zu verteidigen. Die Straßen waren nun sehr viel ruhiger und so kam die ungewöhnliche Gruppe gut voran.
»Berührt das Mädchen besser nicht«, warnte der Zenturio. »Möglicherweise trägt sie eine ansteckende Krankheit in sich.«
Wieder erntete er von Scipio nur ein spöttisches Lächeln für seine Worte. »Oh, ich habe die Auswirkungen der Krankheit, von der du sprichst, mit eigenen Augen am Hafen beobachten können: Sie lässt erwachsene Männer wie die Hühner laufen und kräftige Legionäre wie ein Rudel Verrückter aussehen.«
Der Zenturio knirschte vor Wut mit den Zähnen. Er mochte es gar nicht, wenn man so mit ihm sprach. Er war es nicht gewohnt, verspottet zu werden. War er doch gewöhnlich derjenige, der seinen Spott verteilte!
Doch er verbarg seinen Zorn und sagte demütig: »Wie du meinst, mein Konsul. Dennoch rate ich zur Vorsicht.«
Zusammen mit Nin-Si hatten sie sich wieder auf das Deck des Seelensammlers begeben. Scipio musterte alles mit höchstem Interesse. Er wusste ja bereits, dass ihm dieses außergewöhnliche Schiff zum Geschenk gemacht werden sollte, und so inspizierte er mit Freude jeden Zentimeter. Er ließ auch keinenZweifel daran, dass Nin-Si und der Aborigine ebenfalls in seinen Besitz kommen würden. Und so wie er eben das Schiff betrachtet und dessen Wert für sich abgeschätzt hatte, machte er es nun mit den beiden.
Er musterte sie zufrieden: Vor allem der australische Junge hatte es Scipio angetan. Mit einer Art kindlicher Bewunderung hatte er sich dem Aborigine genähert, ohne ihn jedoch anzurühren. Man sah ihm an, wie gern er den Kopf des Jungen angefasst und gedreht hätte, um nur einmal einen Blick auf dessen Gesicht zu werfen. Doch der Aborigine blieb stur in seiner zusammengekauerten Haltung sitzen und behielt den Kopf zwischen seinen Knien versteckt.
Nin-Si machte sich deswegen große Sorgen um den Zustand des Australiers und hätte ihm zu gern ein aufmunterndes Lächeln geschenkt. Aber das war unmöglich: Sie stand auf den Planken und wurde von zwei Legionären Scipios mit solcher Kraft an den Handgelenken festgehalten, dass für sie an eine Flucht nicht mehr zu denken war.
Es dauerte schier endlos, bis Scipio sich ein umfassendes Bild von seinem Geschenk gemacht hatte. Vergnügt betrachtete er jedes Detail des Schiffes. Der Seelensammler hatte es ihm sichtlich angetan.
Währenddessen standen
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