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Die Zeitfalte

Die Zeitfalte

Titel: Die Zeitfalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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Fersen.
    »Nein«, sagte Charles. »Ich verstehe es auch nicht. Noch nicht. Jedenfalls nicht ganz. Was ich weiß, werde ich euch sobald wie möglich erklären. Zunächst nur so viel: Ihr habt doch Fortinbras gesehen? Keinen Mucks hat er gemacht. Hat er etwa gezittert? Auch nicht. Als sei das Ganze die natürlichste Sache der Welt. Und was bedeutet das? Daß alles in bester Ordnung ist. Hört zu, ihr beiden! Tut mir einen Gefallen: Laßt uns über die Angelegenheit erst reden, nachdem wir gegessen haben. Ich muß endlich etwas im Magen haben; vorher schaffe ich es nicht, die Indizien richtig zu ordnen und auszuwerten.«
    »Geh du voran!« forderte Calvin ihn auf. »Komisch! Da weiß ich nicht einmal, wo ihr wohnt – und doch habe ich das herrliche Gefühl, zum erstenmal in meinem Leben nach Hause zu kommen.«

Frau Dergestalt
    I m Wald begann es bereits zu dunkeln. Sie gingen, ohne zu reden, Charles und Fortinbras vorneweg, Calvin und Meg hinterdrein. Er stützte sie mit den Fingerspitzen ganz leicht unter dem Arm. Es war nur eine Geste: Ich bin bereit, dich zu schützen.
    »So ein unmöglicher, so ein verrückter Nachmittag!« dachte sie. »So etwas habe ich noch nie erlebt.« Und trotzdem war sie jetzt weder verwirrt, noch fürchtete sie sich. Sie war schlicht und einfach glücklich. Woher kam das?
    »Wer weiß, vielleicht war es Bestimmung, daß wir einander erst heute begegnen sollten«, sagte Calvin. »Ich kannte dich natürlich von der Schule, vom Sehen. Aber richtig gewußt, wer du bist, habe ich nicht. Ich bin froh, daß wir das nachgeholt haben. Wir werden bestimmt gute Freunde werden.«
    »Auch ich bin froh«, sagte Meg leise. Dann schwiegen sie wieder.
    Als sie nach Hause zurückkamen, war Frau Murry noch immer im Labor. Sie beobachtete eine blaßblaue Flüssigkeit, die zäh aus einem Becher und durch ein Glasrohr in eine Retorte rann. Über dem Bunsenbrenner brodelten in einem Tontopf Gemüse und Fleisch.
    »Verratet Sandy und Dennys bloß nicht, daß ich wieder einmal im Labor koche!« bat sie. »Sie haben immer Angst, daß dabei Chemikalien ins Fleisch kommen könnten. Aber ich wollte mein Experiment nicht unterbrechen.«
    »Mutter, das ist Calvin O‘Keefe«, sagte Meg. »Ist genug für ihn da? Kann er mitessen? Es riecht übrigens prima.«
    »Guten Abend, Calvin!« Frau Murry schüttelte ihm die Hand.
    »Freut mich, dich kennenzulernen. Es gibt heute abend zwar nur einen Eintopf, aber er ist dick und kräftig.«
    »So mag ich ihn am liebsten«, sagte Calvin. »Darf ich nur rasch einmal telefonieren, damit meine Mutter weiß, wo ich bin?«
    »Natürlich. Aber nicht hier im Labor. Meg, Zeig ihm bitte, wo der andere Apparat steht! Ich schließe inzwischen das Experiment ab.«
    Meg ging voran. Charles Wallace und Fortinbras waren irgendwo im Haus. Sandy und Dennys hämmerten draußen an dem Baumhaus herum, das sie sich in einem Ahorn bauten.
    »Hier entlang!« Meg führte Calvin durch die Küche in das Wohnzimmer.
    »Dabei frage ich mich, warum ich überhaupt sage, daß ich mich verspäten werde«, murmelte Calvin, und seine Stimme klang bitter. »Als ob das bei uns jemandem auffallen würde.« Er seufzte und wählte die Nummer.
    »Ma?« fragte er. »Ach, du bist es, Hinky! Sag Ma, daß ich heute spät komme. Vergiß aber nicht. Ich möchte nicht wieder ausgesperrt werden!«
    Er legte den Hörer auf und blickte Meg an. »Weißt du eigentlich, was für ein Glück du hast?«
    Meg lächelte unsicher. »Es wird mir selten bewußt«, gab sie zu.
    »So eine Mutter! So ein Haus! Also, deine Mutter ist wirklich prima! Du solltest meine sehen! Sie hat oben schon alle Zähne raus. Pa ließ ihr zwar eine Prothese machen, aber sie nimmt sie nicht, und meistens frisiert sie sich nicht einmal. Dabei merkt man den Unterschied bei ihr ohnehin kaum.« Er ballte die Fäuste. »Aber ich hab sie trotzdem gern. Ist das nicht komisch? Ich mag die ganze Bande, obwohl ich selbst ihnen völlig wurst bin. Vielleicht rufe ich nur an, weil ich in der ganzen Familie der einzige bin, der … der sich um irgend etwas kümmert. – Du weißt wirklich nicht, wie gut es dir geht, weil man dich gern hat.«
    Verwirrt sagte Meg: »Ich glaube, ich habe mir darüber noch nie Gedanken gemacht. Ich habe es einfach für selbstverständlich gehalten.«
    Calvin wirkte bedrückt. Aber gleich hellte sich sein Gesicht wieder auf, und plötzlich rief er: »Es wird etwas geschehen, Meg! Etwas Gutes! Ich spüre es.«
    Langsam ging er durch das Zimmer. Es

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