Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
geschah völlig unverhüllt. Andreas und Franklin, die durch ihre Kleidung auch einem Mann von geringen Geistesgaben schnell als Fremde hätten auffallen müssen, wurden weder festgehalten noch in irgendeiner Weise behelligt. Die zahlreichen Posten entlang der Straße kümmerten sich ausschließlich darum, den Bauern mit ihren schwer beladenen Ochsenwagen den Weg zum richtigen Feldlager zu weisen oder neu eintreffende Einheiten zu den ihnen zugewiesenen Verbänden zu dirigieren. Andreas war sich nicht sicher, ob diese Sorglosigkeit nun ein Zeichen der Dummheit oder Ausdruck großer Selbstsicherheit war. Doch nachdem er in den vergangenen Wochen erfahren hatte, wie viel Vorsicht und Misstrauen die Franken bei der Bewahrung ihrer Geheimnisse an den Tag legten, kam er zu dem Schluss, dass sie den Aufmarsch ihres Heeres gar nicht geheim zu halten wünschten. Vermutlich waren sie sich ihres Sieges bereits so gewiss, dass es ihnen nur recht sein konnte, wenn ihr Gegner um die Vorbereitungen wusste und sich in die Rolle eines Beobachters gedrängt sah.
»Das sieht nach großem Ärger aus«, meinte Franklin, als sie einen langen Wagenzug hinter sich gelassen hatten. »Hast du die Kisten und Fässer auf den Wagen eben gesehen? Bei der Eskorte gehe ich jede Wette ein, dass sie bis zum Rand mit Gewehren und Pulver gefüllt waren.«
Andreas nickte besorgt. »Ich will hoffen, dass Marcellus Sator meinen Bericht ernst genommen hat. Wenn unsere Soldaten diesen Waffen unvorbereitet gegenüberstünden … nein, die Folgen mag ich mir gar nicht vorstellen.«
»Das werden wir ja sehen. Du hast deinem Chef aber nur von den Gewehren und den Kriegsplänen der Franken geschrieben und kein Wort über mich, oder?«
»Das habe ich dir nun schon mehrmals gesagt. Nein, Marcellus weiß nichts von dir. Ich konnte nicht riskieren, dass er mich für wahnsinnig hält und meinem Bericht keinen Glauben schenkt. Aber wenn wir ihn bitten wollen, uns eine Genehmigung für Mons Securus zu beschaffen, werden wir nicht umhinkönnen, ihm das alles zu erklären. Ich fürchte, das wird nicht einfach werden.«
»Und wenn schon«, meinte Franklin, »das macht nichts. Inzwischen habe ich ja Übung darin, diese Geschichte glaubhaft zu erzählen. Ich hab’s bei dir geschafft, bei den Priestern – dann werde ich ja wohl auch noch deinen Chef überzeugen können. Das heißt, falls ich lebend in Rom ankomme. Wenn ich nicht bald was zu trinken bekomme, kippe ich tot aus dem Sattel. Lass uns beim nächsten Gasthaus haltmachen, okay?«
»Pfui!«, sagte Ratgar, einer der vier Scara-Soldaten am Tisch, und verzog angeekelt das Gesicht, nachdem er einen Schluck Bier aus dem Krug genommen hatte. Die Männer saßen im Freien vor einer Schenke am Rand der alten Römerstraße und tranken widerwillig das Gebräu, das in so krassem Gegensatz zu den mit Weinstöcken bestandenen Terrassen an den Hängen ringsumher stand.
»Heiliger Georg, das Zeug ist einfach ungenießbar«, schimpfte Angilbert und nahm dennoch einen großen Schluck. Alle vier waren nach einem langen Ritt bei drückender Hitze durstig. Als Franken waren die Männer an Wein gewöhnt, wiesen aber auch ein gutes Bier nicht zurück. Doch was sie hier vom Wirt aufgetischt bekommen hatten, schnürte ihnen fast die Kehlen zu. Trotzdem tranken sie die trübe, schale Flüssigkeit, denn sonst wäre ihnen nichts anderes übrig geblieben, als ihren Durst mit Wasser aus dem Brunnen zu löschen. Aber Wasser war für Pferde und Bauern gut, nicht für Soldaten; also bezwangen sie ihren Ekel und tranken.
»Was hast du erwartet?«, fragte Baugulf. »Diese dämlichen Elsässer können kein Bier brauen, ist doch bekannt.« Er sagte es mit voller Absicht so laut, dass es der Wirt durch die offene Tür im Inneren des Gasthauses hören musste.
Dann aber wurde die Aufmerksamkeit der Männer durch das Klappern von Hufen vom Bier abgelenkt. Zwei Fremde ritten in den Hof. Am uralten, angestoßenen Steinsarkophag, der als Pferdetränke diente, stiegen die beiden aus den Sätteln und banden ihre Tiere an den hölzernen Pfosten fest.
Die Kleidung der zwei Männer wies sie sofort als Ausländer aus, wobei der Blonde in der weißen Tunika eindeutig ein Römer war. Die Herkunft des anderen hingegen, der ein leuchtend rotes Wams mit aufwendig besticktem Besatz an Kragen und Ärmeln trug, war nicht so leicht zu erkennen. Die zwei Fremden gingen hinüber zu dem ihnen am nächsten stehenden Tisch, schnallten ihre Schwerter ab und
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