Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
oder ihren Fähigkeiten abhängen, sondern einzig und alleine davon, wer als Erster einen Fehler begeht.«
Krista fuhr mit den Fingerspitzen über den aus unzähligen Mosaiksteinchen in allen Blautönen gebildeten Oceanus Atlanticus der großen Weltkarte, welche die Oberfläche des Tisches bildete, und meinte mit ruhiger Stimme: »Ja, ganz recht … wer zuerst einen Fehler macht, wird untergehen. Und bei Gott dem Allmächtigen, den ersten Fehler hat der Frankenkönig gemacht, als er sich zu diesem Verrat entschlossen hat.«
Wibodus fuhr mit der Kuppe des Daumens über die Narbe in seinem Gesicht. Sie schmerzte wieder, und das pulsierende Stechen brachte unangenehme Erinnerungen zurück. Erinnerungen an einen burgundischen Aufständischen, der brüllend wie ein wilder Bär mit einem Schwert in der Hand auf ihn zusprang. Die Schmerzen hatten sich eingestellt, nachdem der Bote aus Rom zurückgekehrt war und die Antwort der Kaiserin überbracht hatte. Und eben das gefiel dem General überhaupt nicht. Abgesehen von der Beleidigung, die der junge Offizier nur zu umschreiben gewagt hatte, war die Reaktion der Kaiserin genau das gewesen, was von der stolzen Westgotin zu erwarten gewesen war. Nichts daran hatte Wibodus wirklich überrascht. Und doch hatte er das unbestimmte, nagende Gefühl, dass sich die Dinge nicht so entwickelten, wie er es wünschte. Das plötzliche Aufwallen des Schmerzes in der Narbe war ihm wohlbekannt, und er war sich sicher, dass es in diesem Falle ein Zeichen, eine Warnung darstellte. Doch wovor?
Er hob den Kopf. Vor ihm erstreckten sich die verbrannten Reisfelder, und in weniger als einer halben Meile Entfernung glitzerten die aufgepflanzten, blank polierten Feldzeichen der Römer im Licht der Abendsonne, die schon tief am westlichen Himmel stand.
Du darfst jetzt nicht zu selbstsicher werden, ermahnte Wibodus sich selbst in Gedanken. Nimm dich in acht, noch hast du nicht gesiegt …
50
Portus Romae
Von den zahllosen Menschen, die Zeugen dieser Szenen wurden, würde nicht einer sie je vergessen können. Tausende hatten sich im Hafen von Portus Romae eingefunden, um den Imperator und die siegreichen Legionen willkommen zu heißen. Und als dann Rufus VIII. die Rampe der Roma Aeterna hinabgestiegen war und seine Gemahlin überglücklich in die Arme geschlossen hatte, war der ohnehin schon gewaltige Jubel der Massen ins Grenzenlose angeschwollen.
Während nun im großen, sechseckigen Hafenbecken die scheinbar chaotische, in Wahrheit aber exakt durchdachte Choreographie ein- und auslaufender Schiffe eingesetzt hatte und ohne Pause Truppen an Land gingen, wurde Rufus Scorpio in einem ruhigen Raum im Gebäude der Hafenpräfektur über die Geschehnisse seit seiner Abwesenheit und die unfassbaren Hintergründe informiert, wobei Franklin Vincent ihn ebenfalls über seine Herkunft und die Gründe für seine Anwesenheit ins Bild setzte.
Der Imperator unterbrach die Ausführungen nicht und bemühte sich um volle Aufmerksamkeit für das Gesagte. Doch als Andreas Sigurdius die abschließenden Sätze gesprochen hatte, wirkte Rufus ratlos und verwirrt. Er blickte forschend und fragend in die Gesichter der wenigen Menschen, die mit ihm um den schweren, dunklen Holztisch saßen.
Dann schloss er kurz die Augen, atmete tief durch und sagte, jedes Wort abwägend: »Ich kann das einfach nicht glauben. Nein, nicht dass Ihr mich falsch versteht. Keinem unterstelle ich Irrtum oder gar Lüge. Ganz zu schweigen davon, dass Ihr, Franklin Vincent, mitsamt Euren Besitztümern ja fraglos der lebende Beweis für die wahre Existenz dieser unglaublichen … dieser Ereignisse seid. Aber wenn auch mein Verstand akzeptiert, was ich von Euch erfahren habe …«
Er schaute Marcellus Sator an, verzog den Mund zu einem traurigen Lächeln.
»Onkel, ich hätte von Anfang an auf dich hören sollen. Wer weiß, ob es dann je so weit gekommen wäre. Aber ich habe deine weisen Mahnungen nicht ernst genommen. Das ist unverzeihlich, wie konnte ich nur so blind sein?«
»Für Selbstvorwürfe bleibt uns allen noch reichlich Zeit«, erwiderte der Präfekt. »Doch augenblicklich gibt es Wichtigeres. Während wir hier reden, trifft das fränkische Fußvolk in Wibodus’ Lager ein. Morgen wird es zur Schlacht kommen, die über unsere Zukunft entscheidet. Wir müssen uns mit den kommandierenden Offizieren beraten, wie wir in diesen Kampf gehen wollen. Das muss uns momentan beschäftigen, das und nichts
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