Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
anderes.«
Rufus seufzte. »Ich hatte gehofft, dass mein erster Krieg auch zugleich mein letzter sein würde, dass weder ich noch irgendein Bürger des Imperiums je wieder mit dieser ewig hungrigen Menschenmühle zu tun haben müsste. Und beim Anblick der brennenden Hauptstadt des Perserreiches war ich für einige kurze Momente überzeugt, dass damit nach Jahrhunderten Roms letzte Bedrohung verschwunden war. Aber … aber nun? Der morgige Tag kann alles bringen. Den verlustreichen Sieg, die blutige Niederlage, sogar ein Unentschieden, nach dem wir zu Jahrzehnten und Aberjahrzehnten endloser, aufreibender Kämpfe verdammt wären. Die Welt, die noch vor wenigen Monaten so sicher und fest gefügt schien, meine Welt, hat sich als ein Trugbild erwiesen, und das im doppelten Sinn … Was ist richtig? Was ist falsch? Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.«
Krista legte die Hand auf Rufus’ Arm und sagte mit sanfter, aber fester Stimme: »Niemand hat mehr Recht als du, erschüttert zu sein, nach allem, was du erleben und erfahren musstest. Aber zugleich bist du auch derjenige, der es am wenigsten zeigen darf. Wirst du unsicher, dann spüren das deine Soldaten, dein ganzes Volk, und sie werden gleichfalls die Zuversicht verlieren. Zerbrichst du – dann zerbricht alles. Rufus, du darfst jetzt nicht wanken!«
Der Imperator nickte stumm.
Durch das geschlossene Fenster drangen gedämpft die Klänge der Posaunen und Cymbeln, der Bucinae und Trommeln vom Hafen herein und vermischten sich mit dem gleichmäßigen Marschtritt der abrückenden Kohorten.
51
An der Via Aurelia
Wibodus kniff voller Unbehagen die Augen zusammen. Was dort im römischen Lager vorging, gefiel ihm keineswegs. Seit den Morgenstunden schon traf dort eine Centurie nach der anderen ein, und es handelte sich nicht etwa um auxiliarii. Das rote Tuch der Uniformen leuchtete weithin sichtbar und ließ keinen Zweifel zu, dass es reguläre Legionen waren, die sich auf der anderen Seite des Kanals sammelten.
Wibodus’ Pferd schnaubte nervös, und der General legte ihm beruhigend die Hand auf. Er konnte es dem Tier nicht verdenken, war es doch bekannt, dass Pferde ein feines Gespür für heraufziehende Gefahr besaßen, mochten die Priester es auch noch so verbissen als heidnischen Aberglauben bezeichnen. Und die in beständigem Fluss eintreffenden Soldaten stellten ganz gewiss eine Gefahr dar, wenn es auch nicht anzunehmen war, dass ein Hengst das wirklich zu verstehen imstande sein sollte.
Herannahender Huflärm übertönte die herüberschallenden Klänge der römischen Trompeten; es war Oberst Waldo, der eilig herbeigeritten kam, um dem General Meldung zu machen. Kaum dass der Oberst sein Pferd zum Stehen gebracht hatte, fragte Wibodus ihn schon ungeduldig nach dem Stand der Dinge.
»Der achte Heerbann unter Herzog Hiltibold ist soeben im Lager angekommen«, berichtete Oberst Waldo atemlos.
»Wir sind also vollzählig«, meinte Wibodus. »Achtunddreißigtausend Mann, wie geplant?«
»Jawohl, General. Allerdings …«
»Ich weiß, Oberst, ich weiß. Die Männer sind erschöpft, und Ihr ratet mir von einer Schlacht gleich am morgigen Tage ab. Das wolltet Ihr doch sagen, nicht wahr?«
Der Oberst zögerte einen Moment, aber dann gestand er es ein. »Mit allem schuldigen Respekt, General, ja. Vergesst nicht, dass viele der Soldaten den langen Weg von Sachsen hierher marschiert sind. Eine einzige Nacht Ruhe wird bestimmt zu wenig sein, damit sie wieder zu Kräften kommen.«
Nach diesen offenen Worten erwartete Oberst Waldo eine scharfe Zurechtweisung, doch zu seiner Überraschung nickte der General zustimmend.
»Ihr habt vollkommen recht, Waldo. Und ich würde den Männern auch Ruhe gönnen … falls es in meiner Macht läge. Aber ganz abgesehen davon, dass unsere Vorräte zur Neige gehen und wir die Römer nicht ewig von der Reparatur der Wasserleitung abhalten können, bin ich mir auch völlig sicher, dass der Feind morgen eine Entscheidung herbeizuführen versuchen wird. Nun, da er stark genug ist, wird er alles daransetzen, uns wieder zu verjagen. Und darauf müssen wir uns vorbereiten, ganz gleich, wie sehr der Gewaltmarsch dem Fußvolk zugesetzt hat. Wir dürfen uns auf keinen Fall von unseren Gegnern überraschen lassen.«
Der General strich sich abermals über die quälend schmerzende Narbe und verfiel in schweigsames Grübeln. Als am Tag zuvor die Langobarden und die Auxiliartruppen bei den Römern aufgetaucht waren,
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