Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
dich dann nicht mehr finden …«
»Nur wenn du den Tod vorziehst. Er ist mit deinem neuronalen Netz verbunden.«
»Bist du dir sicher?«
»Ich war dabei, als mein Scout es versucht hat. Ich denke, sie wusste, was passieren würde, aber sie konnte das Ganze nicht noch einmal durchstehen …«
»Sie? Eine Frau?«, frage ich erstaunt.
Kay antwortet nicht, anscheinend hängt er seinen Gedanken nach, wobei seine Augen noch dunkler zu werden scheinen, als sie ohnehin schon sind. Da ich mir sicher bin, dass er noch nicht geendet hat, lasse ich wertvolle Sekunden verstreichen, bis er mit gequältem Ausdruck fortfährt: »Ohne Marker werde ich mich nicht mehr daran erinnern, dass es je eine andere Realität gegeben hat, als die, in der ich gefangen bin. Denn die Erinnerung an etwas, dass du nie wieder erreichen wirst, obwohl es gleich neben dir existiert, ist schlimmer, als einen geliebten Menschen sterben zu sehen.«
»Wen hast du verloren? Wen haben sie dir genommen?«, frage ich leise, doch statt einer Antwort wird ein weiterer Joker zu mir herübergeschoben.
»Noch dreißig Sekunden.«
Kays Miene ist wieder zu einer steinernen Maske geworden. Ich sehe an ihm vorbei zur Ziegelsteinmauer. Vielleicht wird mein Scout mir verraten, wen sie ihm genommen haben, sobald all das hier ausgestanden ist. Das heißt, sofern … Du meine Güte! Was ist wenn … Ich räuspere mich, trotzdem, meine Stimme ist nur ein Krächzen.
»Falls wir es schaffen … ich meine, in das 2013 zurückzukehren, das ich kenne … Wirst du dann auch dort sein? Ist es möglich, dich dort zu finden oder zumindest eine Kopie von dir, die andere Entscheidungen getroffen hat?«
»Ich halte es für ausgeschlossen.«
»Aber … wenn es keine Zukunft für uns gibt, wieso hast du mich dann geküsst?«
Langsam schiebt Kay die letzte Karte zu mir. Und als ich sie greife, legt er seine Hand für einen Augenblick auf meine.
»Es tut mir leid, Alison.«
6. KAPITEL
IRGENDWANN ZWISCHEN 1927 UND 1930
Mill Valley
Neu eingekleidet gehen wir durch die Katakomben des Kinos, verlassen es durch den Hinterausgang und treten wieder ins Freie. In die enge Gasse fällt jetzt ungehindert das Licht der Sonne, so hoch steht sie schon. Es muss irgendwann am Vormittag sein und ich danke dem Himmel für das luftige Kleid, das ich trage, denn bis auf eine leichte Brise ist es trotz der frühen Tageszeit bereits unerträglich warm. Die Abfallsäcke stinken in der zwischen den Häusern gefangenen Hitze; selbst die Katze hat die Nase voll und liegt zusammengekugelt am Ende der Sackgasse vor eben der Ziegelsteinmauer, die wir aus der Garderobe heraus gesehen haben. Bevor wir auf die dicht bevölkerte Einkaufsstraße treten, berichte ich Kay von Hamilton Hill und meiner Vermutung, dass er mein Urururgroßvater sein muss.
»Der Kinobetreiber sprach vom alten Hamilton von der Plantage«, erkläre ich Kay » und soweit ich mich erinnere, hat mein Großvater mir mal erzählt, dass Onkel Herolds Plantage schon sehr lange im Familienbesitz ist. Es ist also gut möglich, dass es sie auch schon in dieser Zeit gab und meinem Urururgroßvater gehörte.«
»Dann sollte das unser erstes Ziel sein, die Plantage!«
»Nicht der Apfelbaum in unserem Garten?«
»Alison, Ende der Zwanziger gab es weder einen Apfelbaum noch euer Haus. Wenn du also nicht vorhast, allen fruchtbaren Boden abzutragen, auf dem in den nächsten fünfzig Jahren ein Apfelkern keimen könnte, schlage ich vor, wir statten deinem Urururgroßvater einen Besuch ab.«
»Aber die Plantage liegt in Sebastopol, das sind fast hundert Kilometer!«, stöhne ich. »Zu Fuß werden wir das kaum in vier Tagen schaffen.«
»In Sebastopol?«, fragt Kay erstaunt.
»Natürlich.«
»Das verstehe ich nicht …«
»Wieso? Warte, nein! Du hast Recht!«
»Was ist dir eingefallen?«
»Ich hab mich geirrt! Am 03. Juli 1929 wütete nämlich ein großer Brand in Mill Valley. Das Feuer fraß sich bis ins Zentrum, wobei es fast die Innenstadt in Schutt und Asche gelegt hätte, hätte der Wind nicht im letzten Augenblick gedreht.« Ich fasse in schnellen Worten zusammen, was in Mill Valleys Grundschulen jedes Kind lernen muss. »Die Plantage wurde dabei vollkommen vernichtet und erst viele Jahre später in Sebastopol wieder aufgebaut. Falls heute also vor dem 03. Juli 1929 ist, müssen wir Hamiltons Plantage oben auf dem Berg suchen, höchstens ein paar Kilometer entfernt.«
»Ein Brand am 03. Juli 1929? Bist du dir sicher?« Alle
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