Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
Laufen beschwerlicher, mein ausgestreckter Arm schmerzt bald und widerwillig wechsle ich die Hand, um die Glut zu tragen. Obwohl ich es vermeiden wollte, registriert mein Gehirn den im Dunklen leuchtenden Countdown. Uns bleiben noch zwanzig Tage, unser unbekanntes Ziel zu erreichen, die Zusammenhänge zu verstehen und das Richtige zu tun, in der geringen Hoffnung, es möge meine Realität wiederherstellen.
Da die Natur gen Nordwesten stetig vielfältiger wird, bald erste belaubte Sträucher auftauchen, können wir uns zumindest nicht auf der anderen Halbkugel der Erde befinden, erklärt Kay mir. In Australien würde es in Richtung Norden immer karger werden und der gleichnamige Stern, an dem wir uns orientieren, wäre überhaupt nicht zu sehen. Immer wieder lässt mein Scout mich am glitzernden Firmament nach dem Nordstern suchen und fordert mich auf, die Himmelsrichtungen zu bestimmen.
» N iemals O hne S eife W aschen«, wiederhole ich Kays Worte. »Norden, Osten, Süden, Westen. Im Uhrzeigersinn. Okay, warte … Da oben rechts ist er … der Nordstern. Den Hellsten von allen meine ich. Wir halten uns etwas links davon, also zwischen Norden und Westen.«
»Sehr gut.« Kay nickt anerkennend. »Ohne Anhaltspunkt laufen die Menschen, die sich in der Wüste verirrt haben, ausnahmslos im Kreis. Uns fehlen wohl die Instinkte, wie sie Tiere haben, und auch deren Sinne. Wir müssen uns auf unseren Verstand verlassen, auf unser Wissen. Deswegen suche dir am Tag immer einen Fixpunkt, den du nie aus den Augen lässt. In der Nacht können dich nur die Sterne leiten. Ist der Himmel wolkenverhangen, bleib, wo du bist, und warte auf die Sonne. Wo geht sie auf?«
»Ich bin echt fertig … Können wir nicht eine Pause machen?«
»Wo geht die Sonne auf? Sag den Spruch!«, fordert Kay unerbittlich.
»Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Mittagslauf, im Norden wird sie untergehen, im Westen ist sie nie zu sehen.«
»Falsch! Noch mal!«
»Kay! Du meine Güte! Im Westen wird sie untergehen. Es ist der Westen, okay? Lass uns BITTE eine Pause machen! Meine Füße brennen und überall ist dieser verfluchte Sand!«
»Es wird bald hell. Dann suchen wir einen Rastplatz, versprochen.« Kay ist endlich stehen geblieben und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. »Es dauert nicht mehr lang. Vielleicht noch eine halbe Stunde, in Ordnung?«
Ich lasse meinen Kopf gegen seine Brust sinken und auch wenn ich den Wunsch habe, für immer dort zu verweilen, stimme ich zu. »In Ordnung.«
Kay behält Recht. Kurze Zeit später verblassen die Sterne unter der leuchtend gelb aufsteigenden Sonne, die die kontrastlose Tristesse der Nacht verscheucht. Mir entweicht ein erstaunter Laut, als ich sehe, wie sehr sich die Landschaft verändert hat. Der Marsch durch die Kälte der Nacht hat sich ausgezahlt. Wir sind anscheinend weiter gekommen, als ich geahnt habe, denn die Wüste liegt hinter uns.
Das immer gleiche Gelb des Sandes ist einem hellem Braun gewichen. Körnige Erde zieht sich über seichte Erhebungen, die wie zu Stein gewordene Wellen wirken. Selbst der Berg ist viel näher gekommen, scheint nicht mehr so unerreichbar wie noch am Tag zuvor, und nicht weit entfernt stehen dicht gedrängt gelb blühende Pflanzen zwischen silbrigen Sträuchern.
Die Luft ist erfrischend, kalt, ja, das auch, aber nicht mehr so trocken, und ich merke, wie sie mich mit neuer Energie versorgt. Das Leben ist überall! Nicht sofort sichtbar, aber jedes Brummen eines Insekts, jedes Zwitschern eines Vogels erweckt ein Hochgefühl in mir.
Als wir durch kniehohe Gräser einen Hügel hinaufgehen, stehen wir plötzlich über einem mehrere Meter breiten Fluss. Klares, glitzerndes Wasser, das mein Hochgefühl in schiere Euphorie steigert.
»Das ist das Paradies!«, rufe ich Kay zu und stürme das Gefälle hinunter, wobei mir fast der immer noch glühende Dungklumpen entgleitet. Am Flussufer lege ich ihn vorsichtig zwischen die Gräser und tauche meine Hände in das Wasser, um es Schluck für Schluck in meinen Mund zu schöpfen. Es ist erschreckend kalt und mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen, so empört ist er über die eisige Flüssigkeit, aber ich gönne ihm keine Ruhe, bis mein Durst gestillt ist.
Erst dann lasse ich mich ins Gras fallen, schüttle den Sand aus meinen Schuhen und sehe mich nach Kay um. Er trägt ein Bündel der langen Gräser im Arm, zusammen mit einigen Zweiglein, die er behutsam zu einem Nest zusammenschiebt, den Dung
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