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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
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war ... ein Tier.«
    »Konnte denn die amerikanische Botschaft nichts unternehmen, um euch herauszuholen?« fragte Longdrink rasch, und Callahan nickte zustimmend.
    »Die amerikanische Botschaft«, antwortete Hauptman bitter, »hatte erstens nicht die geringste Ahnung davon, daß man uns eingekerkert hatte, und zweitens wollte sie es gar nicht wissen. Falls überhaupt jemand wußte, daß wir nach Pasala gekommen waren, so nahm er bestimmt an, daß wir während der Kämpfe getötet worden waren, und dieser Jemand hat sicherlich einen erleichterten Seufzer ausgestoßen, als ihm klar wurde, daß er keine Ahnung hatte, wem er ein Beileidschreiben schicken sollte.« Seine Worte knatterten jetzt wie die Kugeln aus einer Maschinenpistole.
    »In der Gefängniskartei wurden wir als ›Hidalgo, Tomaso und Maria, staatsfeindliche Umtriebe‹ geführt, und das genügte dem Außenministerium, falls sie die Kartei überhaupt überprüften. El Supremo war den Vereinigten Staaten ein Dorn im Auge, und als sie ihn zwei Jahre später umlegen ließen, waren die Marionetten- presidentes, die sie einsetzten, ausschließlich damit beschäftigt, amerikanische Ölmagnaten zu bewirten, und hatten keine Zeit, den Palastkerker zu inspizieren. Das einzige menschliche Wesen, das wir in diesen neun Jahren sahen, war ein ständig betrunkener Wärter, der uns das zum Essen brachte, was er übrigließ. Ich wäre heute noch dort, wenn nicht ... als Mary starb, be- ... bemerkte ...« Er brach ab, riß sich wieder zusammen und fuhr fort: »Jemand bemerkte, daß ihre Leiche fortgeschafft wurde, und wunderte sich darüber, daß Maria Hidalgo aussah wie eine Amerikanerin. Es dauerte noch ein Jahr, bis ich freigelassen wurde, wegen, warten Sie mal, ›einer äußerst heiklen Krisensituation im Mittleren Osten‹ hieß es ... mein Gott, ich begreife jetzt erst, was sie damit gemeint haben. Damals klang es verrückt, und ich habe seither nicht mehr darüber nachgedacht.« Er lachte bitter. »Na ja, was weiß man schon. Jedenfalls lieferte mir in den letzten sechs Monaten, die ich dort verbrachte, das Rote Kreuz das Essen und eine Decke, also war alles in Ordnung. Es stellte sich heraus, daß vier Zellen weiter ein Mann aus Baltimore saß, der auch zum Krankenhauspersonal gehört hatte, und er wurde ebenfalls entlassen. Wenn Mary nicht gestorben wäre, säßen wir heute noch dort.« Der Pfarrer lachte wieder, stürzte den Rest seines Gins hinunter und verzog das Gesicht. »Sie hat mir immer aus der Patsche geholfen.«
    Ein weiteres Glas Gin tauchte vor ihm auf; er trank es geräuschvoll aus.
    »Wissen Sie«, erzählte er weiter, und seine Stimme klang gefährlich hoch, »in diesen neun Jahren stiegen ununterbrochen Gebete aus der kleinen dreckigen Zelle zum Himmel. In den ersten drei Jahren beteten wir darum, daß jemand El Supremo absetzen möge. In den nächsten drei Jahren betete Mary darum, daß ich den Glauben an Gott wiederfinden möge. Dann betete ich ungefähr ein Jahr lang zu irgend jemand, daß Mary am Leben bleiben möge. Nachdem die Malaria sie mir weggenommen hatte, betete ich zu jedem Wesen, das mir möglicherweise zuhörte, um eine Chance, El Supremo eigenhändig umzubringen.
    Ich meine, ist das nicht komisch? So viele Gebete, und keines hat auch nur im geringsten genützt. El Supremo war längst tot, meinen Glauben fand ich nie wieder, und Mary ...« Er brach ab und begann leise zu lachen; das Lachen wurde immer schriller, bis das Glas in seiner Hand zersprang. Dann starrte er seine blutende Hand an, bis Doc Webster ihm sanft die Scherben herausholte.
    »Wenigstens ist das verdammte Ding desinfiziert«, brummte der Doc. »Versuchen Sie den Trick nur ja nie mit einem leeren Glas.« Jemand brachte ihm seine abgenützte schwarze Tasche, und er begann die Wunde zu verbinden.
    Zu diesem Zeitpunkt interessierten sich so gut wie alle Anwesenden brennend für den Fußboden oder die Decke. Keinem fiel etwas Vernünftigeres ein, und allmählich begriffen wir, daß bald irgend jemand irgend etwas sagen mußte.
    Da griff Callahan ein.
    Er hakte den Daumen in den Gürtel und dröhnte:
    »Das war eine wirklich traurige Geschichte, Reverend. Eine Menge Leute hier haben ihren Kummer abgeladen, aber so schlimm wie bei Ihnen war es nie. Trotzdem möchte ich, daß Sie mir etwas erklären: Wieso, zum Teufel, tauchen Sie mit einer Knarre in der Hand in meinem Lokal auf?« Seine Stimme klang stählern, der Pfarrer blickte erschrocken auf, und der Schmerz in seinem

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