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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
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uns höchstens mit einer Handvoll Pasalanern unterhalten. Trotzdem hat uns das Ungeheuer dort drüben gekannt ... und an ihn hätte ich mich sicherlich erinnert.«
    »Ich bin über alle Aktivitäten der amerikanischen Staatsbürger in Pasala informiert«, erklärte er selbstgefällig. »Ihr Land hat mir viele Unannehmlichkeiten bereitet, und ich bin ein gründlicher Mensch, genau wie meine Leutnants. Diego ist einer von ihnen, Pedro war es auch. Ich kann einen Leutnant, der den Kopf verliert, nicht ausstehen.« Er steckte den Revolver in den Halfter, trat ins Zimmer, und ich kam mit Marys Hilfe auf die Füße. Wir klammerten uns aneinander, sie zitterte wie Espenlaub.
    El Supremo sah sich um, fand aber nichts, worauf er sich setzen konnte. Er schlenderte zum Operationstisch, schob den verwundeten, bewußtlosen Soldaten lässig über den Rand, so daß er auf den harten Fußboden fiel, setzte sich und ließ die Füße hinunterbaumeln.
    Corinne stürzte sich auf ihn, doch sie hatte noch keinen Meter zurückgelegt, als der riesige Diego sie abfing und hochhob. Sie drosch ihm mit den Fäusten ins Gesicht, aber er beachtete es kaum. Sie schluchzte vor Wut.
    »Diego«, stellte Miranda grinsend fest, »anscheinend sind Sie nur zufrieden, wenn Sie eine Frau in den Händen haben – warum bringen Sie die junge Dame nicht in meine Wohnung und kümmern sich dort um sie, bis ich komme?«
    Mary und ich schrien auf.
    »Meine Freunde«, erklärte der immer noch grinsende Miranda, »das ist nur gerecht. Ich hatte eine Frau, Rosa, und sie war die Seele meiner Seele. Sie wurde gestern nacht von einer amerikanischen Granate getötet. Ihr Land ist schuld daran, daß ich keine Frau mehr habe. Deshalb ist es nur fair, wenn mir Amerika eine Frau gibt. Ich ziehe unverheiratete Frauen vor, und ich glaube nicht, daß mich die Schwester der Frau eines Pfarrers enttäuschen wird.« Er lachte so unbeschwert, daß mir das Blut in den Adern stockte.
    »Das ist das Dumme am Standrecht«, hörte ich mich sagen, »es ist selektiv.«
    »Erklären Sie das!« forderte El Supremo scharf.
    »Der Mann, der dort auf dem Fußboden liegt, ist meines Wissens wegen versuchter Vergewaltigung erschossen worden«, antwortete ich ruhig.
    » Padre «, sagte der große Revolutionär und zog wieder den Revolver, »da Pasala über keine gesetzliche Verfassung verfügt, muß ich mir helfen, so gut es geht. Vielleicht bin ich dabei gelegentlich ein wenig inkonsequent, wie eben jetzt, denn ich verurteile Sie und Ihre Frau wegen Ruhestörung zu zehn Jahren Gefängnis.
    Sie werden jedoch feststellen, daß das Standrecht auch sein Gutes hat: es ist wirksam.«
    Die nächste Viertelstunde waren für zehn Jahre meine und Marys letzte Minuten in Freiheit, aber ich kann mich nicht mehr an sie erinnern. El Supremo führte uns mit gezogener Pistole über die Plaza zum Palast, viele Treppen hinunter bis zum untersten der drei Kellergeschosse, aus denen der Kerker des Palastes bestand. Dort sperrte er uns eigenhändig in eine drei mal vier Meter große Zelle und ging.
    Wir blieben neun Jahre in dieser Zelle, und ich
    will nicht über diese Jahre sprechen. Nach Marys Tod blieb ich noch elf Monate allein in der Zelle, und ich will nicht an diese Monate denken. Ich will nur erwähnen, daß ich in den ersten Wochen Gott dafür dankte, daß er Miranda einen Funken Menschlichkeit gelassen hatte, so daß er Mary und mich in die gleiche Zelle sperrte ... doch bald erkannte ich, wie hinterhältig und entsetzlich er eigentlich gehandelt hatte, und begann ihn zu hassen und zu verfluchen. Zehn Jahre in einem steinernen Würfel ohne Heizung, ohne Lüftung, mit einem Eimer als Toilette, können einer Ehe viel antun, und ich versichere Ihnen, Mary und ich überlebten diese Zeit nur dank ihrer unerschütterlichen Charakterstärke. Aber nicht einmal sie konnte mich davor bewahren, den Glauben an Gott zu verlieren ...
    Der Pfarrer schwieg und starrte in sein Glas, als erblicke er dort ein seltsames, schreckliches Geheimnis, das er nicht recht glauben konnte. Tiefe Stille herrschte, im Kamin flackerten keine Flammen. Ich sah Doc Webster an, der meinen Blick spürte und sich offenbar zwang, aus weiter Ferne zu uns zurückzufinden.
    »Was ist aus Corinne geworden?« fragte er heiser.
    Hauptman stellte sein Glas plötzlich hin und blickte sich gleichgültig im Kreis um. »Ich habe gehört, daß sie noch in derselben Nacht gestorben ist«, erzählte er im Plauderton, »und ich hoffe, daß es stimmt. Miranda

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