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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
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Sperrfeuer aus Gläsern prasselte in den Kamin.
    Damit war die unerträgliche Spannung gewichen. Doch als das Gelächter langsam abklang, wurde uns klar, daß diese Entspannung Tom Hauptman nicht genügen konnte. Während seine leidenschaftslosen Worte in uns nachwirkten, dämmerte uns allmählich, daß wir uns in diesen zehn Jahren an unheimlich viel gewöhnt hatten, und die Konfrontation mit einem Mann, der gezwungen gewesen war, eine vollkommen veränderte Welt von einem Augenblick auf den anderen zu verdauen, machte uns allen deutlich, wie oberflächlich wir uns angepaßt hatten.
    »Der kleine Mann hat recht«, brummte Longdrink in die plötzliche Stille hinein. »In letzter Zeit ist eine ganze Menge passiert.«
    »Vor zehn Jahren hatte ich das Wort Heroin noch nie gehört«, bemerkte Tommy Janssen leise und trank einen Schluck Bier.
    »Vor zehn Jahren«, sinnierte Doc Webster, »hielt ich Herztransplantationen für eine Erfindung der Science Fiction-Schriftsteller.«
    »Vor zehn Jahren«, seufzte Slippery Joe sehnsüchtig, »war ich noch nicht verheiratet.«
    Ich dachte daran, daß ich vor zehn Jahren einen Bürstenhaarschnitt getragen hatte und ein Fan von Jerry Lewis und Fats Domino gewesen war. »Mein Gott«, stöhnte ich, »das ist ja unmöglich – 1963 hatte noch kein Mensch etwas von den Beatles gehört!« Der elektrische Sound, die allgemeine Verbreitung des Rock, sein Einfluß auf alle anderen Formen von Popmusik hatten sich abgespielt, während Hauptman in einer Zelle verschimmelte und zuhörte, wie seine Haare wuchsen. Was für einen Eindruck mußte die heutige Musik auf ihn machen? Ende der sechziger Jahre hatte Jim McGuinn von den Byrds darauf hingewiesen, daß die Beatles eine Veränderung im Sound der Musik herbeigeführt hätten. Er verglich die Vor-Beatles-Musik mit dem dumpfen Dröhnen eines Propellerflugzeugs und den Nach-Beatles-Rock mit dem metallischen Jaulen eines Düsenmotors. Meiner Meinung nach waren wir bereits beim Überschallgeheul einer Rakete angelangt, und Hauptman stand dieser Entwicklung vollkommen unvorbereitet gegenüber. Von Paul Anka mit einem Sprung zu Alice Cooper! Allein die Veränderungen in der Kleidung und dem Gesangstil genügten, um jemanden um den Verstand zu bringen.
    Wir starrten Hauptman an und glaubten, daß wir ihn verstanden. Er musterte uns, schüttelte den Kopf und holte sich noch einen Drink.
    »Nein«, stellte er fest, »Sie verstehen immer noch nicht, Sie beginnen erst, etwas zu erkennen, das ich als das Dilemma des Zeitreisenden bezeichnen würde, wenn ich Science Fiction-Schriftsteller wäre: ich glaube, man nennt es jetzt Zukunftsschock.
    Sie sind alle Zeitreisende, die in einem Tempo von einer Sekunde pro Sekunde durch die Zeit reisen. In den letzten Minuten habe ich Ihnen klargemacht, wieviel Zeit Sie in den letzten zehn Jahren zurückgelegt haben, und Sie sind nachdenklich geworden.
    Aber ich bin in einer Sekunde zehn Jahre ge
    reist, und Sie befinden sich mir gegenüber im Vorteil. Auch wenn Ihnen diese Zeit komisch vorkommt, Sie sind in ihr verwurzelt, Sie haben einen Platz in ihr, auch wenn er noch so dürftig ist, Sie haben ein Ziel.
    Verstehen Sie es denn nicht? Ich bin Pfarrer gewesen.
    Ich trug die Verantwortung für die geistige Entwicklung anderer Menschen. Ich hatte eine besondere Ausbildung erhalten, damit ich ihnen helfen konnte, ein moralisches Leben zu führen, bei schwierigen Problemen die richtige Entscheidung zu treffen, und damit ich ihnen beistand, wenn sie Trost brauchten. Und jetzt verstehe ich nicht einmal ihre Probleme, geschweige denn die neuen Geräte, die Menschen wie ich in den letzten zehn Jahren in aller Eile erfunden haben, um ihnen zu helfen. Ich habe einen Berufskollegen aufgesucht und ihn um Rat gebeten, und er hat mir eine Marihuana-Zigarette angeboten! Ich habe einen alten Bekannten angerufen, einen katholischen Priester, und seine Frau hat sich am Telefon gemeldet. Ich habe ›falsch verbunden‹ gesagt und aufgelegt. Für jemanden, der 1963 in Pasala war, ist die Watergate-Affäre nichts Besonderes; ich glaubte schon damals nicht mehr, daß Onkel Sam eine unschuldige Jungfrau ist. Aber damals gehörte ich zu einer Minderheit.
    Wie kann ich als Pfarrer arbeiten, meine Herren, wenn ich kein einziges der moralischen Probleme dieser Zeit begreife? Deshalb nicht begreife, weil ich die Entwicklung nicht mitgemacht habe, die zu ihnen geführt hat.«
    Er trank seinen Gin aus, stellte das Glas hin und begann auf dem

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