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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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Er erinnerte sich an den Stich, den er in den Nacken bekommen hatte. Ein vergifteter Pfeil, war der erste Eindruck, den er damit assoziierte. Er stellte fest, daß er die Arme nicht bewegen konnte. Wenn er es versuchte, entstand an den Oberarmen sowie an den Handgelenken leichter Schmerz. Er war also gefesselt. Ebenso erging es ihm mit den Beinen. Man hatte sie ihm in der Höhe der Knie und unten an den Knöcheln zweimal zusammengebunden.
    Er spürte eine harte Unterlage unter den Fersen und unter der Sitzfläche, und eine weitere an den Schulterblättern. Beide Unterlagen bildeten einen Winkel von annähernd neunzig Grad miteinander. Er saß also mit ausgestreckten Beinen. Mehr war mit geschlossenen Augen nicht zu erfahren. Auf die Gefahr hin, daß er sich eines Vorteils begab, indem er zeigte, daß er wieder bei Bewußtsein war, hob er die Lider und sah sich um.
    Die Szene, die sich ihm darbot, wurde derart von einem bestimmten Detail beherrscht, daß er sich minutenlang um gar nichts anderes kümmern konnte: einer langen Prozession merkwürdiger, grünhäutiger Geschöpfe, die sich mit grotesken Bewegungen um ein mächtiges Feuer wand, das auf der Mitte einer Lichtung loderte. Die Geschöpfe hatten wenig Menschenähnlichkeit, und doch bewegten sie sich auf zwei Beinen und hatten zwei Arme. Ihr Rumpf war von unglaublicher Schlankheit, ein Zylinder von nicht mehr als fünfundzwanzig Zentimeter Durchmesser. Noch schlanker waren die Beine, kaum mehr als unterarmstark und mit zwei Gelenken versehen – das eine etwa in Kniehöhe und das andere ein Stück tiefer, so daß der untere Rest des Beins abgewinkelt und als Fuß benutzt werden könnte. Dünn waren auch die Arme, die mitunter so an den Rumpf gepreßt wurden, daß sie kaum mehr zu sehen waren. Sie endeten in dreifingrigen, schlanken Händen. Dünn war auch der Schädel, wenn es überhaupt ein Schädel zu nennen war, diese Verdickung am oberen Ende des Rumpfes. Umfangreich ausgebildet waren lediglich die Ohren, die am oberen Ende der Verdickung angewachsen waren und bei jeder Bewegung der grünhäutigen Wesen deren Schädel wie riesige Blätter umflatterten.
    Am merkwürdigsten aber waren die Augen der Fremden. Sie saßen am Ende von Stielen, die aus der Verdickung am oberen Ende des Rumpfes hervorragten und knapp eine Handspanne lang waren. Sie hatten dasselbe Muster wie die Augenstiele, die Pommeroy an den Stämmen der Palmen bemerkt hatte … und als ihm das aufging, da fiel es ihm auch gleich wie ein Schleier von den Augen, und er wußte, auf welch merkwürdige Art er überrumpelt worden war.
    Er stellte sich die grünhäutigen Geschöpfe vor, wie sie zur Ruhe kamen und still standen. Die Beine zusammen und die Arme an den Leib gepreßt. Die Ohren aufrichteten und ihnen das Aussehen angefressener Palmwedel verliehen. Den schlitzförmigen Mund schlossen und die Stiele mit den Augen darauf unbeweglich hielten. Dann sahen sie den Gewächsen des Dschungels zum Verwechseln ähnlich. Das also war es gewesen! Darum hatte er die Gefahr nicht bemerkt! Er vergaß ein paar Augenblicke lang die Gefahr der eigenen Lage über der Erkenntnis, daß er, Ohl Pommeroy, als erster den Kontakt mit einem fremden Sternenvolk aufgenommen hatte, das die Kunst der Mimikry beherrschte. Intelligente Chamäleons, Chamäleoniden, wie Burton, der Astrobiologe an Bord der SUMMER QUEEN, sie wahrscheinlich genannt haben würde. Welch eine ungewöhnliche Entwicklung des Lebens mußte auf dieser Welt stattgefunden haben, daß selbst intelligente Geschöpfe noch der Mimikry bedurften, um überleben zu können! Er erinnerte sich an Gamecluqs Monstren. Wahrscheinlich waren die einer der Gründe.
    Seine Aufmerksamkeit wurde plötzlich abgelenkt. Die grünhäutigen Wesen waren zum Stillstand gekommen. Das Sich-Winden, die grotesken Bewegungen, die wahrscheinlich Tanzfiguren waren, hatten aufgehört. Der Gesang aus den schlitzförmigen Mündern war verstummt. Nur das Knistern des Feuers und das leise Rauschen des Windes waren noch zu hören.
    Da wurde es im Hintergrund der Lichtung lebendig. Pommeroy sah die Gewächse des Dschungels zur Seite weichen. Er hörte das Rauschen der Palmwedel, und schließlich sah er das groteske Ungeheuer, das schwankend aus dem Dschungel geglitten kam. In seinem ersten Schrecken hielt er es für echt. Dann erst sah er, daß es sich um eine verhältnismäßig primitive Plastik handelte, die von mindestens zwanzig Grünhäutigen auf einer Art Bahre getragen wurde. Das

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