Die Zeitstraße
den lange zuvor ermittelten Koordinaten und Kursdaten zu steuern. Von den Menschen an Bord der SUMMER QUEEN brauchte keiner mehr Hand an die Geräte zu legen. Die Landung vollzog sich vollautomatisch, ein Triumph der Elektronik.
Gemütlich ruhte Fauchets Blick auf der bläulichen Scheibe des Planeten, wie ihn der Bildschirm zeigte.
»Was halten Sie von Suzette?« fragte er plötzlich.
»Wer ist das?« wollte Pommeroy voller Verwirrung wissen.
»Unsinn … ich meine, als Name für den Planeten!«
»Oh, schön«, machte Pommeroy.
Was hätte er auch anderes sagen sollen? Es gab Kommandanten, die pochten nicht so fest auf ihr Recht, einem neuentdeckten Planeten selbst den Namen zu geben. Sie stellten die Sache zur Debatte und waren Vorschlägen aus der Mannschaft gegenüber aufgeschlossen. Aber nicht Semmering Fauchet.
»Wer ist Suzette?« wiederholte Pommeroy seine vorige Frage.
»Meine Mutter«, antwortete Fauchet.
Suzette war, wie man so sagte, eine paradiesische Welt. Die SUMMER QUEEN war auf einer prärieartigen Hochebene gelandet, die auf drei Seiten von Bergen eingerahmt wurde. Nach Süden hin senkte sie sich in dschungelbedecktes Marschland hinab, das in knapp einhundert Kilometern Entfernung an einen der drei Hauptozeane des Planeten grenzte.
Während der letzten Minuten des Landeanflugs war die Mannschaft geweckt worden. Die SUMMER QUEEN baute eine mustergültige Landung. Nicht einmal ein Ruck war zu spüren, als das schlanke Raumschiff auf die zu Stützen ausgebildeten Stabilisierungsflossen zu ruhen kam. Semmering Fauchet hatte eine kurze Ansprache gehalten und den von ihm erdachten Namen des Planeten zum Besten gegeben. Daraufhin hatte sich der Erste Offizier veranlaßt gefühlt, den Namen als von genialer Poesie inspiriert zu bezeichnen. Ohl Pommeroy wäre um ein Haar übel geworden.
Der Fahrplan der nächsten zehn Stunden sah zwei Ausflüge vor: einen in die nähere Umgebung des Schiffes unter Führung des Kommodores und einen zweiten unter Pommeroys Leitung, der bis an die Grenzen des Dschungels im Süden vorstoßen sollte. Pommeroy wußte nicht, ob er sich geehrt fühlen sollte, oder ob Fauchet trotz der Zuversicht des Bordrechners an Gefahren glaubte, die dort unten im Dschungel lauerten und dem widerwärtigen Technischen Offizier hoffentlich den Garaus machen würden.
Vorerst jedoch legte Pommeroy sich erst einmal aufs Ohr, um sich für die versäumte Nachtruhe zu entschädigen. Seine Expedition sollte erst in sechs Stunden starten. Bis dahin hatte er Zeit, sich auszuruhen. Vor dem Einschlafen dachte er noch einmal über die so unerwartet rasch gegebene Landeerlaubnis nach. Was meinte der Bordrechner eigentlich, wenn er einen fremden Planeten als »ungefährlich« bezeichnet? Nun, er meinte unter anderem Dinge, die ohne weiteres auf der Hand lagen, wie zum Beispiel: Die Oberflächentemperaturen sind erträglich, die atmosphärische Zusammensetzung ist atembar, von heftiger vulkanischer Aktivität ist keine Spur, und Ähnliches. Das waren Dinge, die sich messen ließen und eindeutig bestimmt werden konnten. Dann aber gab es noch eine Reihe anderer Größen, die den Entschluß des Bordrechners beeinflußten, über die er sich jedoch niemals ganz im klaren sein konnte. Die wichtigste dieser Größen war ohne Zweifel Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein einer eingeborenen Intelligenz. Wenn diese Intelligenz eine nennenswerte Technologie geschaffen hatte, dann war der Rechner selbstverständlich nicht im Zweifel: Er nahm Radio- oder andere Strahlung wahr, bemerkte Fahrzeugverkehr auf den Meeren oder auf dem Land, identifizierte größere Ansiedlungen, und so weiter. Selbst weniger weit entwickelte Zivilisationen konnte er einwandfrei identifizieren: Siedlungen von der Größe der Pfahlbauten am Bodensee dienten ihm als eindeutiger Nachweis für die Existenz eines eingeborenen Volkes intelligenter Wesen.
Es gab jedoch eine untere Grenze, jenseits deren die Feststellungen des Rechners kaum mehr als Spekulation waren. Ein Volk auf der Zivilisationsstufe des Jäger- und Sammlertums zum Beispiel baute keine Siedlungen und keine Straßen, rodete die Wälder nicht und hinterließ nirgendwo deutliche Spuren seiner Existenz. An dieser Stelle versagte der Rechner. Wenn er also behauptete, er habe keinerlei Anzeichen intelligenter Besiedlung auf der Oberfläche einer fremden Welt erkannt, dann bedeutete dies lediglich: Zivilisationen oberhalb der Jäger- und Sammlerstufe existieren nicht.
Ohl
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