Die Zeitwanderer
meinen - wo sonst sollten sie sein?«
Kit spürte, dass dieses Gefühl der Hilflosigkeit, das ihn seit seiner Abreise vom Black Mixen verfolgt hatte, zu schwinden begann. Er brauchte nur Sir Henrys Bücher in die Hände bekommen, und alles würde gut sein.
Er legte seinen Löffel beiseite und dann beide Hände flach auf dem Tisch. »Lady Fayth«, sagte er, wobei er in einem feierlichen Ton sprach, um den Ernst, den er verspürte, besser zu übermitteln. »Ich habe nicht die Absicht, Euch zu ängstigen, doch Sir Henry und Cosimo sind in ernsthaften Schwierigkeiten. Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass wir Sir Henrys Unterlagen sofort finden.«
»Schwierigkeiten, sagt Ihr ... Welche Art von Schwierigkeiten?«, verlangte sie zu wissen und verzog eine ihrer perfekten Augenbrauen. Als er zögerte, erklärte sie drängend: »Kommt, Sir! Wenn wir vorwärtskommen sollen, müssen wir notgedrungen vereinbaren, unsere Geheimnisse vollständig auszutauschen. Wir dürfen nichts zurückhalten.« Er bemerkte, dass plötzlich ein trotziger Ausdruck in ihren Augen auftauchte, als sie fortfuhr: »Solltet Ihr einen fehlgeleiteten Sinn für ritterliche Pflicht hegen - um eine arme, schwache Frau zu schützen -, dann versichere ich Euch, dass ich völlig in der Lage und bereit bin, mich selbst zu beschützen.«
Der Gedanke, diesen Hitzkopf zu beschützen, war Kit auch nicht im Entferntesten gekommen. Doch da er nun einmal im Raum stand, übte ein solches Vorhaben eine mächtige Anziehungskraft auf Kit aus: Die bloße Erwähnung erfüllte ihn mit plötzlicher Freude.
»Sprecht, Sir!«, forderte sie ihn auf.
Er schüttelte diese Tagträume eines Höhlenmenschen von sich ab. »Ja«, stimmte er zu, »ein vollständiger und offener Austausch von Geheimnissen. Es ist genau das, was ich selbst vorschlagen wollte.«
»Da wir uns nun einig sind«, sie tupfte mit dem Serviettenrand geziert ihren Mund ab und warf dann das Tuch beiseite, »lasst uns mit der Suche beginnen.«
Kit blickte voll Sehnsucht auf die Platte mit dem Hammelfleisch in Bratensoße, die langsam erstarrte. »Nach dem Abendessen, vielleicht ...«
»Mitnichten, Sir!« Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Wenn das Auffinden seiner Tagebücher so bedeutsam ist, wie Ihr behauptet, dann haben wir keinen Augenblick zu verlieren.« Sie schritt aus dem Raum in den Flur.
Kit schnappte sich einen letzten Bissen vom Hammelfleisch und eilte ihr hinterher. Sie führte ihn in das Zimmer, in dem er ihr zuerst begegnet war: Sir Henrys Bibliothek. Kit holte sie vor der Wand aus Büchern ein und fragte: »Wisst Ihr, wie sie aussehen?«
»Nein, denn ich habe sie noch nie gesehen.«
»Nun, es sollte jedenfalls nicht lange dauern, sie zu finden. Ihr beginnt dort« - er zeigte zur oberen linken Seite des Bücherregals - »und ich am anderen Ende. Wir treffen uns in der Mitte.«
Kit begann an seinem Ende. Bei den Büchern handelte es sich samt und sonders um große, schwere Bände, die in dickem, dunklem Leder gebunden waren, das im flackernden Kerzenlicht noch düsterer wirkte. Und so hatte er große Probleme, die in schwarzer Tinte auf den Buchrücken geschriebenen Titel zu lesen, welche, wie er zuvor schon bemerkt hatte, zumeist in Latein verfasst waren. Schließlich gab er diese mühselige Arbeit auf und begann, die Bücher nacheinander aus dem Regal zu ziehen und sie durchzublättern. Einige waren Handschriften auf Pergament, andere gedruckte Werke auf Papier. Gelegentlich stieß er auf einen Band, der einen Stempeldruck oder eine Radierung enthielt - für gewöhnlich hergestellt von irgendeiner Art von Maschine oder einem seltsamen wissenschaftlichen Apparat. Doch zumeist waren die Seiten, die nur schmale Ränder aufwiesen, mit kleinen, dicht gedrängt nebeneinander stehenden Wörtern bedeckt.
Nachdem Kit eine ganze Anzahl dieser Bände überprüft hatte, begann er zu vermuten, dass sich Sir Henrys Tagebücher, wenn es sie denn tatsächlich gab, nicht unter den großen, dicken Folianten befanden, die er gerade untersuchte. Stattdessen wandte er sein Auge den kleineren, tragbareren Büchern zu, die er sah. Ihre Anzahl war deutlich geringer, zudem ließen sie sich auch einfacher handhaben. Und so hatte er sich schon bald durch alle diese Werke gearbeitet, die in seiner Reichweite waren. Er ging ein paar Schritte näher zu Lady Fayth und bemerkte, dass sie summte. Zwar kannte er nicht das Lied, doch die Melodie war bezaubernd.
Schon bald war er völlig hingerissen
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