Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
gegenüber zwei Polizisten bei einer Raucherpause bedauern, dass sie ihre Oma nicht noch einmal besucht hat.
Zu Fuß läuft sie von hier aus zwischen den Häuserblocks in Richtung Jena-Löbstedt. Auch hier lebt eine ihr nahestehende Person: ihre Tante, in deren Wohnung sie als Kind viel Zeit verbracht hat. Die Telefonnummer ihrer Tante wird später auf einer Packung «Ibuprofen» in ihrer Handtasche gefunden. Doch Zschäpe ist müde und schmutzig, ihre Kleider stinken. Die Zigaretten sind fast aufgebraucht. Sie hat keine Kraft mehr.
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«Ich bin die, die Sie suchen»
Zweihundert Meter von der Wohnung ihrer Tante entfernt trifft Beate Zschäpe um 8:45 Uhr vor einem Nahkauf-Supermarkt auf die Jenaer Schülerin Luise Markett. Beide Frauen haben sich vorher noch nie gesehen. Die 16-Jährige ist überrascht, als Zschäpe sie plötzlich hektisch anspricht: «Können Sie mir Ihr Telefon leihen? Ich will einen Notruf absetzen.» Weil die unbekannte Frau zittert, will die Schülerin ihr helfen, wählt die 110 und übergibt das Handy an Beate Zschäpe. Gegen 8:49 Uhr geht ein Notruf bei der Polizeidirektion Jena ein:
Polizistin 1: «Polizeinotruf Jena.»
Zschäpe: «Ja, guten Tag, äh, hier ist Beate Zschäpe, die Verantwortliche hier für den Einsatz hier in Jena. Könnte ich mal bitte mit dem Obersten davon sprechen?»
Polizistin 1: «Ja, einen Moment.»
Es folgt die Systemansage «Bitte warten».
Zschäpe: «Bitte warten … aber das kostet nichts … Notruf» (zu einer dritten Person).
Polizist 2: «Die Polizei Jena, guten Tag.»
Zschäpe: «Ja, guten Tag, hier ist Zschäpe am Apparat. Sind Sie Hauptverantwortlicher von der Aktion jetzt?»
Polizist 2: «Jetzt, heut Nachmittag?»
Zschäpe: «Erst heut Nachmittag, also nicht von der ganzen Zeit, dem ganzen Tag jetzt schon?»
Polizist 2: «Na, ich weiß ja nicht, was Sie heut am Tag machen. Mehr kennen wir nicht.»
Zschäpe: «Nein, jetzt. Das ist schon seit Tagen hier am Laufen. Jetzt bin ich nur in Jena gelandet. Deswegen geht das hier weiter. Und Sie wissen genau, wovon ich spreche.»
Polizist 2: «Von welcher Behörde sind Sie denn?»
Zschäpe: «Wie … Wie bitte?»
Polizist 2: «Von welcher Behörde sind Sie denn?»
Zschäpe: «Ich bin von keiner Behörde, ich bin diejenige … weswegen Sie hier sind. Deswegen … Diejenige bin ich.»
Polizist 2: «Weswegen Sie hier sind? Um was geht’s ’n da?»
Zschäpe: «Weswegen der Einsatz ist.»
Polizist 2: «Was denn für ein Einsatz? Ich weiß bisher nicht, worum es geht.»
Zschäpe: «Die ganze Stadt wird grade abgesperrt, die ganzen Polizeiautos. Wollen Sie mich veräppeln?»
Polizist 2: «Wo sind Sie denn eigentlich, in welcher Stadt?»
Zschäpe: «In Jena.»
Polizist 2: «In Jena. Und Jena wird grade abgesperrt oder was?»
Zschäpe: «Ja. Das wissen Sie doch auch.»
Polizist 2: «Das kann ich aber nicht nachvollziehen.»
Zschäpe: «Ja, okay, dann ist gut.»
Beate Zschäpe ist genervt, ihre Stimme klingt jetzt aggressiv. Sie legt wieder auf. Zschäpe kann es einfach nicht glauben. Sie, die meistgesuchte Frau Deutschlands, möchte sich der Polizei stellen – aber der Beamte nimmt sie gar nicht ernst. Er weiß noch nicht einmal, wer Beate Zschäpe ist.
Was sie zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht weiß: Die öffentliche Fahndung nach ihr wird erst in zweieinhalb Stunden beginnen. Sie ist der Polizei noch nicht bekannt. Keiner der Beamten kennt bisher ihren Namen. An all diesen Tagen, als Beate Zschäpe mit dem Zug durch Deutschland fährt, wird gar nicht nach ihr gefahndet. Alle Fahnder, die hinter ihr her gewesen sein sollen, waren nichts als Gespenster.
Der gescheiterte Kontaktversuch gibt ihr nun ein wenig Zeit zum Nachdenken. Ihr wird klar, dass sie einen Anwalt braucht. Der kann sie beraten und wird ihr helfen, sich zu stellen. Aber wie findet sie einen, jetzt, an einem Dienstagmorgen in Jena? Luise Markett muss dringend in die Schule in der Innenstadt. Zschäpe nutzt die Gelegenheit und steigt mit ihr zusammen in die Straßenbahn. Zehn Minuten später verabschiedet sich Beate Zschäpe von der jungen Helferin und verlässt die Bahn an der Haltestelle «Spittelplatz» nahe der Jenaer Innenstadt.
Sie läuft durch die Gassen der Altstadt auf der Suche nach einem Juristen. Die erstbeste Kanzlei, die sie betritt, will sie nicht verteidigen und schickt sie wieder weg. Sie läuft weiter zu einer zweiten Kanzlei. Doch auch hier hat sie kein Glück: Die Anwälte können mit der jungen Frau
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