Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
Steinen und Molotowcocktails etwas erreichen, die Ausländer vertreiben, mitbestimmen, wie Deutschland künftig aussehen soll.
Rückblickend betrachtet ist Hoyerswerda eigentlich nur der Anfang. In den Tagen nach den Übergriffen fliegen Feuerbomben und Molotowcocktails auf Asylbewerberheime im schwäbischen Weingarten, im südbadischen March, in Dresden, Münster, Schwedt, Essen, in Tambach-Dietharz, Hamburg, Ahlen, Brandenburg und in Wallendorf.
Am Wochenende nach Hoyerswerda gibt es 78 rassistische Überfälle in ganz Deutschland.
Einer der wenigen Politiker, die verstanden haben, was für ein furchtbares Signal die Tage von Hoyerswerda sind, ist der FDP-Abgeordnete Burkhard Hirsch. In seiner Bundestagsrede am 27. September 1991 sagt er:
«Pogrome beginnen im Kopf. (…) Die Politik macht sich natürlich mitschuldig, wenn sie Probleme liegen lässt; aber auch dann, wenn sie versucht, sich diese Angst zunutze zu machen, um eine politische Auseinandersetzung auf dem Rücken von Minderheiten auszutragen, auch dann, wenn sie den Menschen einfache Lösungen vorgaukelt, die es nicht geben kann, wenn sie den Glauben bestärkt, unsere ausländischen Mitbürger wären eine Belastung, während sie uns helfen, wenn sie die Illusion bestärkt, wir bekämen eine stabilere Welt, wenn wir unsere Türen vor dem Elend verschließen. (…) Jeder Politiker ist schuld an den Pogromen von Hoyerswerda und anderswo, der nicht den Mut hat, seinen Mitbürgern diese schlichten Wahrheiten zu verkünden, bis sie sie verstanden haben.»
Auch die Reaktion der Politik – selbst wenn Uwe Mundlos sie nur selektiv wahrnimmt – bestätigt ihn darin, das Geschehen so zu interpretieren wie seine Gesinnungsgenossen. Die Diskussion über die Änderung des Artikels 16 im Grundgesetz wird härter. Viele Neonazis sehen in der Abschaffung des Asylrechts in der Verfassung ihr oberstes Ziel. Zwischen den Forderungen der konservativen Parteien zum Asylartikel und den «Ausländer raus!»-Losungen der Rechten gibt es viele Schnittmengen.
Ende September 1991 fordert die CDU die Änderung des Asylparagraphen und bereitet sich auf ein Kanzlergespräch mit der SPD zu der Frage vor, da man für eine Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit benötigt. CDU-Generalsekretär Volker Rühe sagt in der Süddeutschen Zeitung : «Wenn sich die SPD beim Kanzlergespräch am 27. September verweigert, ist jeder Asylant nach diesem Tag ein SPD-Asylant.»
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Das Liebespaar
Irgendwann in diesen Wochen um Hoyerswerda lernen sich Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in Jena-Winzerla kennen. Der Freundeskreis der beiden ist noch immer bunt gemischt. Wahrscheinlich treffen sich der 19-jährige Mundlos und die 17-jährige Zschäpe erstmals im «Winzerclub», in dem sie jetzt häufig vorbeikommt.
Auch Mundlos, der sich über den «eigenen» Raum freut wie über eine eigene Wohnung, verbringt viel Zeit hier. Man sitzt zusammen, quatscht, hört Musik von mitgebrachten Kassetten. Montag ist Videoabend, Freitag und Sonnabend ist Disko. An den anderen Tagen können die Jugendlichen Billard spielen. Das Bier ist billig. In dem mittlerweile als «Glatzentreff» geltenden Club setzen sich die Rechten langsam durch und schaffen es, dass eine Skinhead-Band auftreten darf. Die Rechtsrocker nennen sich «Die Vergeltung».
Beate Zschäpe steht aber noch auf andere Musik. An manchen Abenden will sie lieber im «Kassablanca» tanzen. Neben elektronischer Musik wird hier auch Reggae, Punk und Ska gespielt. Oft will Mundlos mitkommen, dann gibt es Streit zwischen den beiden.
Das «Kassablanca» ist ein alter Lokschuppen am Bahnhof Jena-West, die flache Halle ist übersät mit Graffiti. Um zum Eingang zu gelangen, muss man über eine abenteuerliche Metalltreppe klettern, die aus einem Baugerüst zusammengeschraubt ist. Die meisten Jugendlichen, die hierherkommen, sind links eingestellt.
«Zieh dir bitte andere Klamotten an!», fordert Beate Zschäpe ihren Freund auf. «Kannste vergessen, ich muss mich doch nicht verstecken», erwidert er und kommt trotzig mit Bomberjacke in den Club. Oft provoziert er mit seiner Kleidung Rangeleien unter den Gästen.
Bei Beate Zschäpes Mutter ist Mundlos hingegen immer gern gesehen. «Er machte auf mich immer einen sehr ordentlichen Eindruck. Er trank kaum Alkohol und achtete darauf, dass seine Springerstiefel stets geputzt waren», sagt Annerose A. Zschäpes Oma bringt er hin und wieder Blumen mit.
Manchmal versucht Uwe Mundlos, die Mutter seiner
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