Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
neuen Freundin von der Richtigkeit seiner Ideologie zu überzeugen. Dann spricht er darüber, wie sehr er die Generation seines Großvaters verehrt, die Männer, die im Krieg gekämpft haben, und warum das Dritte Reich richtig gewesen sei. Beates Mutter will aber nicht mit ihm über diese Dinge diskutieren, sie fühlt sich unterlegen, Uwe Mundlos erscheint ihr bestens geschult, «ich konnte da nicht gegenhalten», sagt sie.
Siegfried Mundlos macht sich immer mehr Sorgen um seinen Sohn. Er will ihn von den Rechten fernhalten. Aber wie? Wenn er davon hört, dass ein Rechtsrock-Konzert in Jena stattfinden soll, fährt er mit seinem Sohn und Beate Zschäpe an einen Baggersee, wo sie gemeinsam die Nacht über campen. Einmal spendiert er dem Liebespaar einen vierwöchigen Zelturlaub in Krakow am See, an der Mecklenburger Seenplatte. Nur weg von den Neonazifreunden in Jena.
Aber Uwe Mundlos ist erwachsen und ändert seine politische Meinung nicht in einer Nacht am Baggersee oder bei einem vierwöchigen Zelturlaub. In seinem Portemonnaie stecken ein Zeitungsausschnitt über Rudolf Heß und vier Visitenkarten mit seiner Adresse und einem Bild von Adolf Hitler.
Langsam orientiert sich auch seine Freundin nach rechts. Und die beiden sind nicht allein. Die Jugendkultur in Winzerla wird deutlich von Skinheads in Bomberjacken dominiert. «Vom Gefühl her war auf den Schulhöfen von Haupt- und Berufsschulen damals jeder zweite rechts», sagt Christian K.; auch er gehörte damals dazu, er kannte Mundlos und Zschäpe. «Das ist heute schwer vorstellbar, aber in den Neunzigern war das die dominante Jugendkultur, so wie heute Hip-Hop in Berlin.»
Anfang 1992 treten die Neonazis in ganz Deutschland sehr aggressiv auf. Allein im Januar werden Anschläge auf Asylbewerberheime in Kremmen, Stadthagen, Sömmerda, Waldkirch, Geske, Salzhausen, Trier, Speyer, Pätz und Bensheim verübt. Mitte Januar schlagen in Jena mehrere Skinheads einen 20 Jahre alten Chilenen mit einem Baseballschläger zusammen. Das Opfer muss ins Krankenhaus gebracht werden.
Am 20. April 1992 wirft der NPD-Landesvorsitzende Thomas Dienel einen Schweinekopf auf das Gelände der jüdischen Synagoge in Erfurt und erklärt später vor laufender Kamera, dass er Wehrsportgruppen für Anschläge auf Asylbewerberheime ausbilde. In einer Rede über die Gaskammern in Auschwitz droht er: «Mit diesen Händen werde ich die Gashähne wieder aufdrehen.»
Im Juli 1992 erschlägt in der baden-württembergischen Stadt Ostfildern-Kemnat eine Gruppe Skinheads mit einem Baseballschläger einen Kosovo-Albaner, der seit über 20 Jahren in der Bundesrepublik lebt und bei einer Baufirma arbeitet. Auf einen anderen Kosovo-Albaner wird «eingedroschen, bis dessen Schädel brach und er sich wimmernd in der hintersten Ecke unter der Dachschräge der Unterkunft verkroch», berichtet Der Spiegel . Im Prozess gegen die Mörder sieht der Richter in der Tat den «Ausbruch eines dumpfen Stammtischchauvinismus, wie er nach Einbruch der Dunkelheit in vielen deutschen Kneipen rumore». Der Spiegel zitiert einen Zeugen mit den Worten: «Sie haben eigentlich das gemacht, was alle denken. Gegen Scheinasylanten ist doch jeder. Das ist doch ganz normal.»
Die zunehmende Gewalt und Radikalität der Neonazis verschiebt den Schwerpunkt der Diskussion in Deutschland, genau wie beim Zusammenbruch der DDR. Die jungen Neonazis spüren, dass die DDR-Zeit viel Häme erfährt. Das Dritte Reich wird zwar von der Gesellschaft ebenfalls abgelehnt und verurteilt, aber Häme über den Zweiten Weltkrieg und die Nazizeit hört man nie. Viele Neonazis sehen darin einen grundlegenden Respekt der Bevölkerung gegenüber der Nazidiktatur zwischen 1933 und 1945.
Viele Rechte sehen sich zudem als Vorhut von Gedanken, die sowieso viele in Deutschland hegen. Der Spiegel berichtet über die Ergebnisse einer Meinungsumfrage, der zufolge 34 Prozent der Bundesbürger Verständnis für rechtsradikale Tendenzen haben.
Damals ist noch nicht abzusehen, in welche Richtung sich die Bundesrepublik entwickeln wird. Manche konservative Politiker versuchen, das Klima für sich zu nutzen und Stimmen am rechten Rand zu holen. Damit verschiebt sich das gesamte politische Gefüge nach rechts. Im Februar 1992 führt eine Denkschrift des CDU-Bundestagsabgeordneten Rudolf Karl Krause zu einer bundespolitischen Diskussion. In dem achtseitigen Papier «Deutschlandpolitische Gedanken» greift Krause Ausländer an und benutzt Begriffe wie
Weitere Kostenlose Bücher