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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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Böhnhardt und seine Arbeitsstunden bei seinem Klienten laut Rechtsanwältegebührenordnungs-Tabelle penibel ab. Am 7. Dezember 1998 stellt er 833,20 DM in Rechnung und am 25. März 1999 noch einmal 576,28 DM. Der Verfassungsschutz überweist das Geld auf sein Konto.

    Am 19. März nimmt das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz seine Zusage zurück, Rechtsanwalt Gerd Thaut und die Eltern Böhnhardt mit «nachrichtendienstlichen Methoden» zu verschonen, «da die gewünschten Ergebnisse» nicht mehr zu erwarten seien, heißt es in einem Brief an Thaut. Ab jetzt können sie wieder abgehört werden.

23
    Wolgograder Allee
    Im April 1999 ziehen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in ihre erste eigene Wohnung in Chemnitz. In den Monaten zuvor haben sie Unterschlupf bei einem Skinhead in der Altchemnitzer Straße gefunden. Doch nun hat Max-Florian B.s Freund André E. eine Wohnung für sie im Fritz-Heckert-Gebiet organisiert, einer Neubausiedlung im Süden der Stadt. 90000 Menschen leben in der vormals zweitgrößten Neubausiedlung der DDR. E. unterschreibt auch den Mietvertrag für die Zweizimmerwohnung in dem sechsstöckigen Haus in der Wolgograder Allee.
    Sie haben jetzt zwar eine eigene Wohnung, und Mundlos verfügt über einen gefälschten Pass. Aber auch Böhnhardt braucht noch einen neuen Ausweis. Und sie brauchen Geld. Dringender als je zuvor.
    Ralf Wohlleben versucht immer noch, Spenden aufzutreiben. «Es muss schnellstmöglich etwas geschehen», sagt er einem Kameraden in Jena. Wenig später überweist ein Jenaer Kontaktmann Carsten S. aus der Thüringer Szene «Spendengelder für die drei nach Sachsen». Aber die Spendenbereitschaft der Kameraden schwindet von Monat zu Monat.

    Dem Thüringer Verfassungsschutz liegen mehrere Hinweise vor, wonach sich die Gesuchten im Raum Chemnitz aufhalten. Auch ihr V-Mann Tino Brandt wird einmal von Uwe Böhnhardt aus einer Chemnitzer Telefonzelle angerufen. Einen Monat lang kontrollieren die Verfassungsschützer mehrere Telefonzellen in Chemnitz. Außerdem hören sie die Gespräche von drei Chemnitzer Skinheads ab. Zwei der Rechtsextremisten unterstützen das Trio in dieser Zeit aktiv. Doch die Lauschaktionen sind erfolglos.

    Als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 6. Oktober 1999 gegen 16:45 Uhr die Postfiliale in der Barbarossastraße im Villenviertel Chemnitz-Kaßberg betreten, sind keine Kunden in den Räumen. Beide tragen Motorradhelme. Mit vorgehaltener Schreckschusspistole fordern sie Geld. Während der eine Räuber einen Schuss abfeuert, springt der zweite über den Schaltertresen und fordert die Angestellte auf, den Tresor zu öffnen. Er droht der Mitarbeiterin, sie zu erschießen, falls sich unter dem Geld eine Farbbombe befinde.
    Nach wenigen Minuten ist alles vorbei. Die beiden Männer stürzen aus der Postbank und flüchten mit einem grünen DDR-Moped S 50, der sogenannten Schwalbe. Der Überfall ist aus Sicht des Trios nicht sehr erfolgreich. Sie erbeuten genau 5787,59 DM. Bereits ein knappes Jahr zuvor, am 18. Dezember 1998, haben sie eine Edeka-Kassiererin in Chemnitz mit einer Pistole bedroht und ihr mehrere tausend Mark entrissen. Auf der Flucht schießen sie auf einen Jugendlichen. Dies ist wohl der erste Raubüberfall von Mundlos und Böhnhardt gewesen, glaubt das LKA Sachsen.

    Nach dem Überfall auf die Postbank stehen Polizisten im Treppenhaus des Chemnitzer Neubaublocks in der Heckert-Siedlung. Die Beamten sind aber nicht wegen der Überfälle gekommen, sondern weil sich Nachbarn über zu laute Nazimusik und Zigarettenkippen auf ihren Balkonen beschwert hatten. Das Trio entschuldigt sich, die Polizei zieht wieder ab. Sie sind nicht aufgeflogen.
    In diesen Wochen kommt es zum Streit innerhalb der Gruppe. Der Unterstützer Holger G. berichtet, Uwe Mundlos habe ihm erzählt, dass er vorübergehend aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist. «Die Spannung muss so groß gewesen sein, dass Mundlos schon zu einem Messer gegriffen hatte und sie aufeinander losgehen wollten», sagt G. Nach einigen Monaten der Trennung kehrt Mundlos aber in die Dreier-WG zurück.
    Sie brauchen weiterhin unbedingt Geld. Genau drei Wochen nach dem ersten Bankraub überfallen Mundlos und Böhnhardt abermals eine kleine, schlecht geschützte Postfiliale. Wieder ist Mittwoch, wieder befindet sie sich im Villenviertel auf dem Kaßberg – und wieder flüchten sie mit einem Motorrad. Diesmal erbeuten sie 62822,70 DM.

    In den Tagen danach soll der Anführer der

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