Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
hat. Gekannt hat das Trio den «Weissen Wolf» jedenfalls: Als die Fahnder im Januar 1998 die Garage durchsuchten, in der Böhnhardt und Mundlos die Bomben gebaut hatten, fanden sie auch eine Ausgabe der Zeitschrift.
Im Jahr 2002 oder 2003, also in der Zeit, als Mundlos und Böhnhardt nicht morden, scheinen sich die Mitglieder der Zelle nicht mehr so sicher gewesen zu sein mit ihrem Lebensstil. Bei einem Besuch des Helfers Max-Florian B. in ihrer Zwickauer Wohnung soll Uwe Mundlos Verständnis für dessen Ausstieg aus der rechten Szene gezeigt haben; seine eigene Entscheidung für den Untergrund bedauerte er angeblich. «Ich hätte mein Studium nicht abbrechen sollen. Ich habe mir mein Leben verbaut», soll er gesagt haben.
31
Regionalexpress nach Zwickau
Holger G. besucht seinen alten Kumpel Ralf Wohlleben in dessen Wohnung in Jena-Winzerla. Ein Wochenende lang reden sie über früher. G. kann sich nicht mehr genau erinnern, wann das Wiedersehen stattgefunden hat, wahrscheinlich war es 2002. Kurz vor G.s Abreise verschwindet Wohlleben im Nebenzimmer. Er kommt mit einem Stoffbeutel zurück und steckt ihn G. in die Reisetasche. «Kannst du den Beutel nicht in Zwickau vorbeibringen?», fragt er den überraschten Freund. «Ich stehe eventuell unter Beobachtung, du könntest den Beutel doch aber problemlos bei den dreien abgeben.» So erinnert sich G. heute.
Die beiden jungen Männer kennen sich seit Ende der achtziger Jahre. Als 15-Jährige besuchen beide die gleiche Polytechnische Oberschule. G. ist der Ältere, Wohlleben der Ehrgeizigere. Nach der Wende zieht Holger G. nach Niedersachsen und arbeitet in der Nähe von Hannover bei einer Spedition.
Er fühlt sich unwohl mit diesem Kurierauftrag, aber für das Trio scheint der Beutelinhalt wichtig zu sein. Kurz nach dem Untertauchen der Zelle hat G. ihr auf Bitte von Wohlleben bereits einmal 3000 DM gespendet. Ein Jahr später spricht G. den militanten Neonazi Thorsten H. auf dessen Hochzeit an, ob er nicht dabei helfen könne, die drei außer Landes zu schaffen. Thorsten H. ist führend im Rechtsrock-Geschäft und innerhalb der Szene bekannt für seine guten internationalen Verbindungen. Ein anderes Mal bestellt Ralf Wohlleben seinen alten Schulfreund G. auf einen Autobahnrastplatz bei Göttingen, um mit ihm über neue Wohnorte für das Trio zu sprechen.
Nun also Zwickau. Als Wohlleben seinen Gast mit dem Auto zum Bahnhof bringt, fügt er noch hinzu, es sei besser, dass G. nicht wisse, was die drei mit dem Inhalt des Beutels vorhätten. «Frag nicht weiter nach.» Im Regionalexpress ist G. endlich allein, seine Hand wandert unauffällig in die Reisetasche; er versucht zu fühlen, was sich in dem Beutel befindet. Eine Pistole, gerader Lauf.
Eine Zugfahrt, nicht länger als ein Kinofilm, macht aus einem Kameraden einen Mordunterstützer.
Als G. in Zwickau aus dem Zug steigt, steht Zschäpe am Bahnsteig. Gemeinsam laufen sie zu Fuß den knappen Kilometer zur geheimen Wohnung des Trios in der Polenzstraße 2.
Als G. endlich auf der Couch im Wohnzimmer sitzt, atmet er tief durch, öffnet seine Tasche und sagt: «Hier, ich hab was für euch!» Er reicht den Stoffbeutel einem der Männer. Der holt die Pistole heraus, lädt sie durch. Danach bringt er die Waffe aus dem Zimmer. Ob es Böhnhardt oder Mundlos war, der die Pistole entgegengenommen hat, weiß G. heute nicht mehr. Er selbst will aber angemerkt haben: «Das will ich nicht noch einmal für euch machen. So funktioniert das nicht, man kann sich doch nicht anmaßen, mit fünf Leuten die Welt zu retten! Mit Waffen will ich nichts zu tun haben. So einen Scheiß mache ich nicht noch mal.»
Im August oder September 2002 erkennt ein alter Freund Uwe Böhnhardt wieder. Beide stehen an einer Ampelkreuzung in Jena mit ihren Autos nebeneinander und warten auf Grün. Sie geben sich kurz ein Zeichen und fahren dann über eine Schnellstraße gemeinsam ins Jenaer Zentrum. Auf dem zentralen Eichplatz steigen sie aus und unterhalten sich.
Böhnhardt erzählt seinem Freund, dass er jetzt in der Schweiz lebe und es allen gutgehe. «Er sah noch genauso aus wie 1998. Weder seine Kleidung noch der Haarschnitt oder die Gesichtszüge hatten sich seit damals merklich verändert», berichtet der später der Polizei. In der rechten Szene flüstert man sich damals zu, Uwe Böhnhardt sei noch drei- bis viermal im Jahr in Jena.
Am 25. September 2002 überfallen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihre fünfte Bank in Folge, diesmal eine
Weitere Kostenlose Bücher