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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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Sparkassenfiliale in Zwickau-Auerbach. Sie kommen auf Trekkingrädern und stürmen gegen 8:50 Uhr in die Filiale, dabei versprühen sie Reizgas. Beide tragen Perücken, Tücher vor dem Gesicht und dunkle Sonnenbrillen. Als sie flüchten, nehmen sie 48571 Euro mit.

    Knapp ein Jahr später, am 15. September 2003, endet die Fahndung nach dem Trio. Straftaten wie die «Vorbereitung eines Explosionsverbrechens», dessentwegen die drei gesucht werden, verjähren nach fünf Jahren. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Gera diese Frist noch künstlich hinausgezögert, aber jetzt muss der Staatsanwalt die Verfügung zur Einstellung des Verfahrens unterschreiben. Juristisch gesehen sind Uwe Mundlos und Beate Zschäpe nunmehr unschuldig – sie könnten theoretisch wieder auftauchen. Nur nach Uwe Böhnhardt wird noch bis 2007 gefahndet.
    Das Gericht und die Polizei wissen zu dem Zeitpunkt nicht, dass die Zelle in der Zwischenzeit schon Morde begangen, eine Bombe gelegt und Banken überfallen hat.
    Als Siegfried Mundlos erfährt, dass das Verfahren gegen seinen Sohn eingestellt und damit auch die internationale Fahndung nach ihm beendet wird, geht er zur Polizeidirektion Jena und stellt eine Vermisstenanzeige. «Ich wollte, dass die Polizei gezwungen ist, weiter nach Uwe zu suchen», erklärt er später.

    Eine Woche nachdem das Verfahren eingestellt ist, überfallen Böhnhardt und Mundlos eine Sparkasse in Chemnitz, ihre sechste. Alles läuft wie immer, nur die Beute ist diesmal kleiner: 435 Euro.

    Auf den Festplatten ihrer Computer sammeln die drei in dieser Zeit Gedichte des Germanenmythikers Felix Dahn, des NS-Schriftstellers Herbert Böhme und des Aphoristikers Erich Limpach – und viel Musik. Die Songs sowie gespeicherte Bilder, Filmausschnitte und Nazisymbole wollen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für die Herstellung des Bekennervideos benutzen.
    Auf den Rechnern finden sich außerdem Bilddateien, die sie wahrscheinlich für die Produktion von T-Shirts verwenden wollen; verkauft werden sollen die «T-Hemden» über Kontaktpersonen. Darauf lassen die Datei- und Ordnernamen schließen, die Kriminaltechniker nach dem Auffliegen der Zelle auf den PCs finden. Sie heißen «tshirts» und «poster» sowie «schrödertshirt».
    Im zuletzt genannten Ordner liegen Fotomontagen, die den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder hinter Gitterstäben zeigen. Auf einem Bild mit dem Namen «schrödertshirt2.png» ist Schröders linke Brust mit einem gelben Stern versehen, der offensichtlich den «Judenstern» darstellen soll. «Don’t forget you are the next» lautet die Bildunterschrift. Andere Motive zeigen Schröder mit dem Spruch «Niemand entgeht der Gerechtigkeit».

    Mitte Oktober 2003 treffen sich in Schwäbisch Hall wieder Polizisten aus den Landeskriminalämtern, BKA-Ermittler, Mitarbeiter des Innenministeriums und Staatsanwälte der Generalbundesanwaltschaft, um sich über die Gefahr rechter Terrorgruppen auszutauschen. Alle Teilnehmer der «Bund-Länder-Tagung» sind sich sicher, dass derzeit keine Neonazianschläge geplant würden; es gebe auch keine Hinweise darauf, dass sich Rechte Waffen oder Sprengstoff besorgten oder dass «sich innerhalb von Gruppierungen konspirativ arbeitende Zirkel gebildet haben».
    Aber die Beamten machen sich Sorgen über ihre eigene Zusammenarbeit, die funktioniere nicht besonders gut. Es bestehe die Gefahr, dass der «Informationsaustausch wieder in das ‹übliche Nebeneinanderherarbeiten› umschlägt».
    Am Ende des Treffens einigen sich die Rechtsextremismus-Experten sämtlicher deutscher Sicherheitsbehörden: «Eine Gewalt bejahende Diskussion findet in der rechtsextremistischen Szene zzt. nicht statt. Vielmehr lehnt sie – möglicherweise taktisch motiviert – terroristische Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele nahezu einhellig ab.»

32
    Doppelleben
    Während der sieben Jahre in der Zwickauer Polenzstraße bauen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihren Kellerraum zu einem «Hochsicherheitstrakt» aus. Anstatt des üblichen Holzlattenverschlags bringen sie zwei massive Türen an, um ungestört vor den Blicken der Nachbarn werkeln zu können. Die Lattenrostwände zu den Kellerabteilen nebenan hängen sie mit Tüchern ab.
    In all den Jahren sehen die Hausbewohner die Männer meist, wenn sie gerade ihre Fahrräder in den Keller stellen. Einmal hört eine Mieterin, wie sich Böhnhardt und Mundlos dabei unterhalten. Sie reden über Waffen, mit denen sie auf Leute schießen wollen. Als die Frau

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