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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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Gruppe lebe irgendwo – vielleicht in Australien – und führe dort ein ruhiges Leben.

30
    Vierzehn Wörter
    Warum Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zwischen 2001 und 2004 nicht weitermorden, ist nicht klar. Bekannt ist aber, dass sie in diesen Jahren tagsüber viel Zeit im Wald verbringen, um ihre Fitness zu trainieren. Und abends arbeiten sie an ihrem Nachlass.
    Inzwischen haben sie insgesamt vier Menschen getötet, das möchten sie für die Nachwelt festhalten. Am 28. Oktober 2001 speichern sie die neueste Version des Bekennervideos unter dem Dateinamen NSU FILM.avi auf ihrem Computer in der Polenzstraße. Der neue Film beginnt mit einem graphischen Element, das 14 leere Kästchen zeigt. Im Laufe des Films werden diese Kästchen mit Namen gefüllt. Mit den Namen der Opfer des «NSU».
    Die Zahl 14 könnte eine Anspielung auf den Szenecode «14 Words» sein. Er verweist auf die Länge eines Satzes, der dem US-amerikanischen Neonaziterroristen David Lane zugeschrieben wird: «We must secure the existence of our people and a future for White children» («Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern»). In der Neonaziszene weiß jeder, was sich hinter dem Code verbirgt.
    Das Video zeigt Fotos der Tatorte und Mitschnitte aus Fernsehsendungen, die über die Attentate berichtet haben. Danach blenden die beiden jedes Mal eine Warnung ein:
    «HABIL K. IST
    NUN KLAR, WIE
    ERNST UNS DER
    ERHALT DER
    DEUTSCHEN NATION
    IST»

    Hinter dem Spruch ist ein Totenkopf zu sehen, der zwischen den Zähnen ein Leichenhaus-Schildchen hält, auf dem der Tag des Mordes an Habil Kılıç notiert ist.
    Nachdem fünf Kästchen mit den Namen der vier Todesopfer in Nürnberg, Hamburg und München sowie dem Opfer des Bombenanschlags in Köln gefüllt sind, erscheint die Schlusssequenz:
    «HEUTE IST NICHT
    ALLE TAGE
    WIR KOMMEN WIEDER
    KEINE FRAGE»

    Wieder unterlegen Mundlos und Böhnhardt das Video mit der Musik der Rechtsrock-Band «Noie Werte».

    Im März 2002 speichern die Mitglieder des Trios eine Art Manifest, ein Pamphlet ohne Überschrift. Die Computerdatei trägt den Namen «NSU Brief.cdr». Anscheinend wollen sie Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen:
    «VERBOTE ZWINGEN UNS NATIONALISTEN IMMER WIEDER NACH NEUEN WEGEN IM WIDERSTANDSKAMPF ZU SUCHEN. VERFOLGUNG UND STRAFEN ZWINGEN UNS ANONYM UND UNERKANNT ZU AGIEREN. DER NATIONALSOZIALISTISCHE UNTERGRUND VERKÖRPERT DIE NEUE POLITISCHE KRAFT IM RINGEN UM DIE FREIHEIT DER DEUTSCHEN NATION. KEINE PARTEI ODER VEREIN IST DIE GRUNDLAGE DES NATIONALSOZIALISTISCHEN UNTERGRUNDES (NSU) SONDERN DIE ERKENNTNIS NUR DURCH WAHREN KAMPF DEM REGIME UND SEINEN HELFER ENTGEGENTRETEN ZU KÖNNEN. DIE AUFGABEN DES NSU BESTEHEN IN DER ENERGISCHEN BEKÄMPFUNG DER FEINDE DES DEUTSCHEN VOLKES UND DER BESTMÖGLICHEN UNTERSTÜTZUNG VON KAMERADEN UND NATIONALEN ORGANISATIONEN. SOLANGE SICH KEINE GRUNDLEGENDEN ÄNDERUNGEN IN DER POLITIK, PRESSE UND MEINUNGSFREIHEIT VOLLZIEHEN, WERDEN DIE AKTIVITÄTEN WEITERGEFÜHRT. GETREU DEM MOTTO. ‹SIEG ODER TOD› WIRD ES KEIN ZURÜCK GEBEN. ENTSCHLOSSENES, BEDINGUNGSLOSES HANDELN SOLL DER GARANT DAFÜR SEIN, DAS DER MORGIGE TAG DEM DEUTSCHEN VOLKE GEHÖRT.»

    Wahrscheinlich hoffen die drei, dass aus der Zelle eine Bewegung wird. Am Ende des Briefentwurfs heißt es:
    «BEACHTE: BEILIEGENDE UNTERSTÜTZUNGEN ZIEHEN KEINERLEI VERPFLICHTUNGEN NACH SICH.»

    Die Generalbundesanwaltschaft vermutet, «dass die Mitglieder des NSU beabsichtigten, den Briefempfängern finanzielle Unterstützung zu gewähren». Ob jedoch jemals Geld aus Banküberfällen der Zwickauer Zelle in rechte Kameradschaften, «Weltnetzseiten» oder braune Fanzines geflossen ist, ist nicht bekannt.
    Allerdings findet sich ein möglicher Hinweis darauf in der Neonazipostille «Der Weisse Wolf», die vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern vertrieben wird. In der Ausgabe 18 von Anfang 2002 steht auf der zweiten Seite, unter dem Editorial des Herausgebers: «Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;-).» Dann folgt ein Aufruf, der an die RAF erinnert: «Der Kampf geht weiter …»
    Was der an den «NSU» gerichtete Spruch genau bedeutet, ist noch nicht abschließend geklärt. Sicherheitsexperten sehen darin die Reaktion auf eine Spende, die das Terrortrio an die Macher des «Weissen Wolfs» gesandt haben könnte. Der Dank kann aber auch nur ein zynisches Lob für die Verbrechen sein, die der «Nationalsozialistische Untergrund» bis dahin begangen

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