Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
im PC-Laden seines Vaters arbeite, erklärt Max dem Mann.
Die mitreisende Frau, Liese, ist quasi die Mutter der Familie. Sie bekocht ihre beiden großen Jungs, wäscht die verschwitzten T-Shirts von Gerri und Max und verwaltet das Geld des Trios. Sie sei insgesamt «sehr bodenständig» gewesen, sagt eine ehemalige Campingfreundin. Häufig beschäftigt sie sich mit den Kindern ihrer Urlaubsbekanntschaften oder unterhält sich mit anderen Frauen über ihre beiden Katzen. Liese trägt die schwarzen langen Haare meist zum Pferdeschwanz nach hinten gebunden, zieht sich kurze Hosen und T-Shirts an und fällt ansonsten nicht groß auf. Früh treibt sie oft Sport, und ab mittags liegt sie in der Sonne vor dem eigenen VW-Bus, erinnern sich Parzellennachbarn. Abends trinkt sie – im Gegensatz zu ihren beiden Begleitern – auch mal ein Glas Wein. Dann erzählt sie, dass sie begeistert sei vom «Blühenden Barock», einer Art Dauergartenschau in Ludwigsburg, die sie sich bei dem Besuch einer Freundin angesehen habe. Ludwigsburg liegt nur 37 Kilometer entfernt von Heilbronn – wo die Polizistin Michele Kiesewetter ermordet wurde.
Manchmal unternehmen die drei Sachsen tagsüber etwas zusammen. Nach dem Frühstück schnallen sie ihre teuren Mountainbikes vom Mini-Van und radeln in den Wald. Erst spät kommen sie von diesen Fahrradtouren zurück. An manchen Tagen fahren sie zusammen bis zu 140 Kilometer, erinnert sich Urlaubsfreund Martin Sperber.
Aus den Bekanntschaften, die Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe während der Ferien knüpfen, werden manchmal richtige Freundschaften. Nach dem ersten schönen Sommer 2007 verabredet sich das Terrortrio jedes Jahr wieder mit Familie Fischer, um die Urlaubstage gemeinsam an der Ostsee zu verbringen.
Zum 18. Geburtstag einer Urlaubsbekanntschaft besuchen die drei das Mädchen sogar zu Hause. An dem warmen Augusttag sitzen sie zusammen im Garten von Familie Bodner in Peine, in einer Eigenheimsiedlung hinter einer hohen Hecke im Schatten des roten Backsteinhauses. Vater Bodner, ein Lehrer, steht am Grill auf der Holzterrasse vor der Gartenlaube. Beate Zschäpe hat viele Gemeinsamkeiten mit der 18-jährigen Franziska Bodner. Auf einem Foto lachen beide in die Kamera und tragen das gleiche schwarze T-Shirt. Darauf steht «AC/DC», in Strasssteinchen.
Neben ihrem Faible für glitzernde Rockband-Verehrung verbindet die beiden Frauen auch eine Vorliebe für blonde TV-Sternchen: Beate Zschäpe ist Fan der Pornodarstellerin Carolin Wosnitza, die durch Auftritte bei «Big Brother» den Zuschauern von RTL2 bekannt wurde. Auf ihrem Laptop sucht Zschäpe öfter nach «sexy cora» im Internet, das ist der Künstlername von Carolin Wosnitza. Franziska Bodner steht auf Daniela Katzenberger, eine Blondine, die durch verschiedene Reality-Soaps auf Vox eine kleine Berühmtheit wurde. Beide Starlets eint, dass sie sich durch Brustoperationen ihren Weg ins Rampenlicht erarbeiteten. Katzenberger und Sexy Cora haben, aus der Provinz kommend, ohne erkennbares größeres künstlerisches Talent ihre Bedeutungslosigkeit abgelegt und wurden so für viele junge Frauen zu Idolen.
Als die Zelle auf Fehmarn Urlaub macht, sind zwei Profiler der amerikanischen Bundespolizei FBI zu Besuch bei der Kriminalpolizei in München. Die deutschen Ermittler fragen die US-Fallanalytiker, ob sie eine Idee haben, wer hinter der Česká-Mordserie stecken könnte. Auf sieben Seiten schreiben die amerikanischen Spezialisten daraufhin 2007 ein Gutachten mit einer «Serienmord-Analyse».
Der oder die Täter hätten einen «Groll gegen Türken» und würden darum türkisch aussehende Männer erschießen. Die Profiler glauben nicht, dass die Täter Auftragskiller sind, weil sie stets tagsüber morden – das sei ein zu hohes Risiko für Menschen, die nur an Geld interessiert seien. Vielmehr würden die Mörder aus Nervenkitzel töten und weil sie ein persönliches Motiv haben.
Das FBI empfiehlt, öffentlich nach Personen zu suchen, die ausländerfeindlich eingestellt sind und sich in der Nähe der Tatorte aufgehalten haben. Auch die italienische Pistole Bruni mit dem veralteten Kaliber 6,35 Millimeter, die bei zwei Morden neben der Česká benutzt wurde, könnte ein Ansatzpunkt für die Fahndung sein, schreibt das FBI.
Diese Analyse erreicht die Soko «Bosporus» in Nürnberg aus unbekannten Gründen nicht.
Wenn das Trio nach den Ferien zurück nach Hause kommt, senden Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe ihren Urlaubsbekanntschaften
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