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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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bürgerlich ein, dass sie direkt aus dem Quelle-Katalog stammen könnte.
    2008 ziehen die drei aus der Zwickauer Polenzstraße in eine bessere Wohngegend, nach Zwickau-Weißenborn. Einer Nachbarin sagte Zschäpe, dass sieben Jahre in dem Haus reichen würden – außerdem wollten sie fort aus dem Umfeld des Bahnhofsviertels.
    An den Fenstern des Verstecks in der Frühlingsstraße 26 hängen Rüschengardinen, auf die Fensterbretter haben sie Blumenkästen gestellt, und vor der Dusche liegt akkurat ein Badvorleger. In den Resten des ausgebrannten gelben Hauses finden Polizisten im Jahr 2011 eine Autogrammkarte von «Cindy aus Marzahn», einen Gutschein für ein Zahnbleaching, ein Halstuch mit Leopardenmuster, ein Bügeleisen der Marke Microstar, eine rote Weihnachtsmannmütze in Übergröße sowie das Buch «Dr. Oetker: 1000 – die besten Backrezepte».
    Oft steht Uwe Böhnhardt unangemeldet im Büro der Hausverwaltung und beschwert sich über zu laute Nachbarn, den Gestank der Mülleimer hinter dem Haus oder Eiszapfen, die an der Regenrinne herunterhängen und die er als Gefahr ausgemacht hat. Er beklagt sich über undichte Kacheln und das Wasser, das nicht warm werde. Als in einem Winter eine Wasserleitung platzt, zieht Feuchtigkeit in die Wohnung. Es wird kalt. Böhnhardt erstreitet sich einen Heizlüfter – auf Kosten der Hausverwaltung.
    Die Beamten der Spurensicherung finden 2011 heraus, dass gar keine echten Blumen in den Kästen vor dem Küchenfenster wuchsen, sondern nur Plastikblumen aus der Erde ragten. Hinter diesen Kunstblüten hat das Trio eine Überwachungskamera mit Ausrichtung auf den Hauseingang versteckt. Nur wenige Wochen nach dem Einzug kaufen sie dafür die TV 7150 Super Mini Farbkamera 420 TVL in einem Elektronikgeschäft in Zwickau. Zwei weitere Minikameras bringen sie in der Wohnung an – ein Rekorder zeichnet alle Bewegungen auf.
    Vor der Keller- und der Haustür installiert das Trio eigenmächtig einen Bewegungsmelder. Ein Repetiergewehr mit abgeschnittenem Schaft sowie eine Maschinenpistole liegen in einem Schrank in der Nähe der Wohnungstür immer griffbereit. Nachdem der «Nationalsozialistische Untergrund» aufgeflogen ist, findet die Polizei elf verkohlte Faustfeuerwaffen, Munition und Handschellen in der Ruine der Wohnung – und eine merkwürdige selbstgebaute Vorrichtung: eine Holzkiste mit Schallschutzdämmung für ein 9-Millimeter-Gewehr. Durch einen Eingriff hätte man aus der geschlossenen Kiste heraus schießen können.

    Uwe Böhnhardt hat die Vier-Zimmer-Wohnung in Zwickau im Herbst 2007 durch Zufall entdeckt. Damals wird das Haus gerade grundsaniert, und eine Plane am Gerüst offeriert freie Wohnungen im Gebäude. Unter der Tarnidentität Matthias D. meldet sich Böhnhardt im Oktober 2007 bei der Hausverwaltung. Er fragt nach, ob man zwei der unsanierten Wohnungen im ersten Obergeschoss nicht zu einem 120-Quadratmeter-Apartment zusammenlegen könne.
    Verwalter Oliver Schirmer hat nichts dagegen. Dann will sich Böhnhardt noch eine neue Wohnungstür aussuchen. Er möchte sie selbst bezahlen. Auch das genehmigt der Immobilienbesitzer. Daraufhin ordert Uwe Böhnhardt eine Schallschutztür in Buchedekor bei der «Tischlerei Lorenz & Waldeck» in Chemnitz und zahlt die 638,62 Euro dafür in bar. Im Keller baut er später selbst eine massive Stahltür ein.
    Während der Arbeiten ist Uwe Böhnhardt häufig auf der Baustelle und schaut, wie die Sanierung des Hauses vorankommt. Nach ein paar Wochen meldet er noch einen Sonderwunsch an: Böhnhardt möchte gern eine Schallschutzdecke in der gesamten Wohnung einziehen. Oliver Schirmer fragt ihn, warum er den Schallschutz braucht. Böhnhardt antwortet: «Ich mache oft Sport auf dem Laufband.» Das klingt plausibel für den Vermieter.
    Am 1. März 2008 beziehen die drei ihr neues Domizil in der Frühlingsstraße. Das Gebäude wurde 1928 von der Siedlungsgenossenschaft Zwickau Nord erbaut. Das Haus war das Zentrum der Siedlung, die Kneipe unten im Gebäude hieß noch bis zum Ende der DDR «Siedlerheim». Die Idee der Siedler war es, sich in einer ruhigen Gegend nicht weit entfernt von den Industrieanlagen Zwickaus selbst Arbeiterwohnungen zu bauen. Die Arbeiter zogen in den zwanziger Jahren das Holz für den Häuserbau mit Karren aus dem angrenzenden Wald. Hinter der Siedlungsidee stand der Patron des Kaufhauskonzerns «I. Schocken Söhne Zwickau», der damals über 30 Warenhäuser von Bremerhaven bis Stuttgart betrieb: der Jude Simon

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