Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
auch mal ein Päckchen, prall gefüllt mit Thüringer Bratwürsten, Süßigkeiten, Ostprodukten und einer Foto-CD des letzten Urlaubs. Absender: Liese aus Zwickau. Damals wundern sich die Empfänger noch nicht, dass das Paket von einer Phantasieadresse verschickt wurde. Schließlich hatte Liese ihnen ihre funktionierende Handynummer zum Abschied auf einen Zettel geschrieben. Uwe Mundlos tauschte die E-Mail-Adressen mit den Ferienfreunden aus und mailte zwischen den Urlauben mit ihnen, um die nächsten Termine abzumachen oder wenn die Bekannten Fragen bei Computerproblemen hatten. Das Mail-Postfach und den Skype-Account hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt extra für den Kontakt zu den neuen Freunden angelegt.
Erst als die Fahndungsbilder der drei im Fernsehen gesendet werden, wird den Ostseecampern klar, mit wem sie da abends im Restaurant saßen oder gemeinsam Steaks auf den Grill legten. Einige Details aus den vergangenen Urlauben ergeben für sie erst jetzt einen Sinn.
So wollten Gerri, Max und Liese nie, dass jemand Fremdes ihren Wohnwagen betrat, wohl aus Angst, andere Menschen könnten etwas Auffälliges erspähen. Fürchteten sie, Urlauberkinder könnten beim Spielen im Van die versteckten Pumpguns und Pistolen entdecken? Die Bekannten verstehen jetzt auch, warum die drei Sachsen so viel von früher, von der DDR-Zeit, aber so wenig von ihrem Leben heute erzählten. Als einmal die Polizei den Campingplatz wegen eines Tauchunfalls besuchte, hielten sich die drei sehr zurück, erinnern sich Urlaubsfreunde.
In den Verhören mit der Polizei sagen die Urlauber über das Trio aus, dass Lieses «Geldbörse eigentlich immer reichlich gefüllt» war, mit «vielen Scheinen, von 50-Euro-Scheinen abwärts». Ein Stellplatz war nicht billig. Für fünf Wochen gab das Trio über 5500 Euro aus. «Uns ist aufgefallen, dass sie ihre Rechnungen immer in bar bezahlten», sagt Campingfreund Martin Sperber.
Erst im Januar des Jahres 2007 hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 196970 Euro in bar bei einem Bankraub in Stralsund erbeutet. Auch vier Jahre später liegen Urlaub und Banküberfall nahe beieinander. Noch zweieinhalb Monate vor dem Überfall auf die Sparkasse in Eisenach 2011 sonnen sich die Mitglieder des «Nationalsozialistischen Untergrunds» am Strand von Fehmarn. Selbst kurz vor dieser geplanten Serie von Bankrauben fallen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nicht aus ihren professionellen Rollen. Auf ihre letzte Campingbekanntschaft wirken Gerri, Max und Liese 2011 den gesamten Urlaub über «total nett und einfach sehr sympathisch», sagt die Frau.
Nachdem das Trio 2007 zurück in der Zwickauer Polenzstraße ist, produzieren die Männer das bereits begonnene Bekennervideo zu Ende. Später findet die Polizei auf den Rechnern von Mundlos und Böhnhardt den Ordner «aktuelle version 1107»: In diesem Verzeichnis sind Filmsequenzen abgelegt, die dann in der sichergestellten Bekenner-DVD wiederauftauchen. Vor allem Videodateien von Fernsehausschnitten der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY … ungelöst» aus dem WDR und dem SWR haben sie gespeichert. Es sind Aufnahmen von Sendungen, in denen über den Mord an Michele Kiesewetter berichtet wird.
Zwischen dem 12. und dem 21. November 2007 brennen Mundlos und Böhnhardt 50 Exemplare einer DVD mit dem Namen «NSU». Darauf ist die endgültige 15-Minuten-Version des Bekennervideos mit dem «Paulchen Panther»-Film zu sehen.
Im Mai 2008 – über zwei Jahre nach dem letzten Mord – kommt die Soko «Bosporus» den Killern das zweite Mal sehr nah. In einem vertraulichen Bericht der Sonderkommission fassen die Ermittler alle Merkmale zusammen, die sich bei den einzelnen Morden und den Bombenanschlägen ähneln: In vier von neun Fällen der Česká-Serie flüchteten Personen auf Fahrrädern. In Nürnberg, München und Dortmund sahen Zeugen, wie zwei junge Männer auf Mountainbikes sich in der Nähe des Tatorts aufhielten. Einer Frau, die Böhnhardt und Mundlos in Nürnberg gesehen haben will, wurden die Viva-Videoaufzeichnungen vom Kölner Bombenanschlag in der Keupstraße 2004 gezeigt. Die Zeugin will Ähnlichkeiten zwischen den Radfahrern in Nürnberg und Köln erkannt haben. Am Ende kommt die Soko zu dem Ergebnis: «Aufgrund der Opferauswahl (Türken)» und «der Verwendung von Fahrrädern» könne «ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden».
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Frühlingsstraße 26
Die neue Wohnung richten sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt so normal, so
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