Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
tagsüber allein. Ihre beiden Katzen sind eine Ablenkung an solchen Tagen, von denen einer wie der andere ist. Einmal wollen sich die drei deshalb einen Hund anschaffen. Dafür müssen sie bei der Stadtverwaltung eine Steuermarke beantragen. Das sei ihnen aber zu riskant gewesen, erzählt Beate Zschäpe. Einen Hund ohne offizielle Marke zu halten, war keine Option für das Trio: «Wir wollten nicht durch ein Steuervergehen auffallen», sagt Zschäpe im Gefängnis.
Einkaufsbummel sind eine Abwechslung im ansonsten eintönigen Alltag von Beate Zschäpe im Untergrund. Im Schutt des Hauses finden die BKA-Ermittler allerlei Krimskrams, den sie offenbar gekauft hat: einen roten Stringtanga, sieben Sonnenbrillen, diverse originalverpackte Zahnbürsten, einen Airwick-Lufterfrischer, einen Jahreskalender vom Drogeriemarkt Müller, ein Waffeleisen, einen Sandwich-Toaster, etliche 3-D-Brillen, blinkende Teufelshörner aus einem Scherzartikelladen, ein Feuerzeug mit dem Aufdruck der Comicfigur «Betty Boop», einen Taschen-Aschenbecher in Originalverpackung, eine schwarze Faschingszipfelmütze mit aufgedrucktem Gesicht, über zehn Halstücher, eine Nasendusche, zwei elektronische Feuerwerks-Zündanlagen in Originalverpackung, einige Superböller und das Feuerwerk «Ocean of Lights» sowie verschiedene Schmink- und Kosmetikkoffer.
Wenn sich Beate Zschäpe einsam fühlt, geht sie nur ein paar Stufen hinunter im Haus, in die «Taverne Thassos». Dann setzt sie sich in den Gastraum, plaudert mit dem griechischen Besitzer Petros Paschalis oder bringt eine Freundin zum Essen mit. Paschalis gibt einen Ouzo aus. Als Dank bringt Zschäpe zu Weihnachten ein selbstgebasteltes Geschenk vorbei. Als Paschalis Geburtstag hat, schenkt sie ihm Asterix- und Obelix-Figuren. Zu Ostern überrascht sie das Betreiber-Ehepaar mit einem kleinen Kaktus und einem Schokoladennest.
«Die Susann war eine sehr freundliche Frau», sagt Petros Paschalis, «sie war eine Ulknudel, die immer ein Lächeln im Gesicht hatte.» Nur an eine schlechte Erfahrung kann sich Paschalis’ Ehefrau erinnern: Als sie einmal im Laden ihres Mannes die Toiletten putzt, kommt zufällig Zschäpe dazu. Sie schaut der Griechin beim Putzen zu und sagt dann: «Da können Sie gleich bei mir weitermachen!» Die Frau des Betreibers empfindet das als gemeine Beleidigung.
Uwe Böhnhardt, den Zschäpe manchmal im Schlepptau hat, mögen die Tavernenbesitzer nicht besonders. Einmal streiten sie sich mit ihm, weil Böhnhardt so oft und laut Computerspiele spielt. Die wummernden Bässe der Kriegs- und Monsterspiele nerven aber die Gäste der Taverne unter der Wohnung des Trios. Darum bittet Petros Paschalis seinen Obermieter, ab 17 Uhr nicht mehr virtuell zu ballern.
Immer wieder donnerstags gibt es eine kleine Variation im Tagesablauf des Trios. Dann kommt Susann E. mit ihren neun und fünf Jahre alten Söhnen vorbei. Zwei Paar Kinderschuhe stehen dann ordentlich vor der Wohnungstür. Nachbarn wollen gehört haben, wie die Jungs oft ein Bad nahmen – es wurde dann immer lauter im Haus. Für diese Nachmittage hält Beate Zschäpe eine ganze Batterie Kinderspielzeug parat. Neben Gesellschaftsspielen bewahrt sie unter ihrem Hochbett auch eine digitale Lego-Kamera, einen Spielzeughubschrauber und ein sogenanntes Catch-Ball-Game auf – ein Set aus zwei kreisrunden Spielgeräten mit Klettfunktion und einem Ball, der sich in diesen Geräten verfangen soll. Im Keller wartet außerdem ein rotes Trotter-Kinderfahrrad auf die beiden Jungs. Wenn Nachbarn Beate Zschäpe nach den regelmäßigen Besuchern fragen, gibt sie Susann E. als ihre Schwester aus. Und so wundert es niemanden, wenn Zschäpe auch einmal etwas allein mit den beiden Jungen unternimmt. Sie dürfen beispielsweise manchmal mit zum Tierarzt, wenn Beate Zschäpe ihre beiden Katzen untersuchen lässt.
In den letzten Jahren im Untergrund ist Familie E. nicht nur regelmäßig in der Frühlingsstraße zu Gast, sondern ist auch eine Stütze für das Trio. Vor allem André E. gilt als einer der wichtigsten Helfer der Zelle in diesen Jahren.
Im Internet betreibt André E. jetzt einen Laden, in dem er Kleidung verkauft, die in der rechtsextremen Szene beliebt ist. Der Online-Shop trägt den Namen «Caput Mortuum» – Totenkopf.
E. hilft dem Trio nicht nur seit spätestens 1999, Wohnungen zu mieten, sondern mit seiner Medienfirma «Aemedig» soll er Mundlos und Böhnhardt auch bei der Produktion des Bekennervideos unterstützt haben. Auf
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