Die Zen-Lehre des Landstreichers Kodo (German Edition)
Ehestreit. Wir haben wegen unserer Selbsttäuschung ein Verständnis von „Ich“, und mit diesem illusorischen Ego stören wir andere durch unsere selbstsüchtigen Handlungen. Das also bedeutet es, den Apfel der Sünde zu essen. Obwohl wir ständig getäuscht sind, erkennen wir das nicht. Warum? Weil wir gänzlich in unseren Täuschungen versunken sind und mit ihnen umgehen, als wären sie ein angemessenes Abbild der Realität.
Wenn wir Zazen üben und ruhig werden, sehen wir klar, wie getäuscht wir sind. Zazen ist tatsächlich die Haltung von „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lukas 18, 13). Wenn wir Zazen üben, verwirklichen wir die illusorische Natur der Gedanken; egal, wie stark die Illusionen sind, wir jagen ihnen nicht nach und versuchen nicht, sie loszuwerden oder auf ihrer Grundlage zu handeln. Zazen ist also die Haltung und der wahre Ausdruck dessen, „dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist“ (Römer 6, 6). Es ist der reinste Ausdruck von: „Sei still und wisse, dass ich Gott bin“ (Psalm 46, 10).
Der Zuschauer-Zen-Boom
Sawaki Roshi : Während der Taisho-Periode (1912-1926) war Kubutsu Ohtani [16] , Priester der Jodo-Shin-Sekte der Schule des Reinen Landes und Nachfolger des Gründers Shinran, bekannt für sein zehntausend Yen-Trinkgeld für eine Geisha. Er schrieb dieses Gedicht: „Wie wohlwollend! Der Patriarch (Shinran) trug neunzig Jahre lang Papierkleider.“ Dieses Gedicht ist gut, doch wie konnte es von einem Mann geschrieben werden, der einer Geisha ein zehntausend Yen-Trinkgeld gab? Ich mag es nicht, wenn Poeten lügen.
Uchiyama Roshi : Während der Taisho-Periode waren zehntausend Yen der gesamte Reichtum eines Mannes. Ich hörte selbst von Kubutsu Ohtanis extravagantem Leben, auch wenn ich zu dieser Zeit noch ein Junge war. Ich denke, er lebte sein Säuferleben und vergaß, dass ein Mönch von Kopf bis Fuß ein Bettler ist. Dennoch liebte er es, seine Wertschätzung für das einfache und raue religiöse Leben der Patriarchen zu zeigen.
Bei der Teezeremonie wird der Geist von wabi und sabi [17] nicht mehr beachtet. Heutzutage spielt die Teezeremonie mit wabi und sabi . Wenn wir sie für eine Kunst halten, die man an einer Schule erlernt und abschließt, ist das in Ordnung. Aber wir sollten die gleiche Haltung nicht gegenüber unserer religiösen Existenz einnehmen. Religion sollte sich in unserem täglichen Leben widerspiegeln und nicht etwas sein, dass nur aus der Entfernung gewürdigt wird.
Wir Menschen sind irgendwie zu faul zum Üben. Wir wollen einen Eindruck vom Üben von einem Standpunkt aus erhalten, wo wir uns nicht einmischen müssen, aber wertschätzen können – so wie Touristen. Wie bei Zuschauersportarten, die sehr beliebt sind, ist der Zen-Boom ein Zuschauer-Zen-Boom oder ein Besichtigungstour-Zen-Boom.
Menschen haben die Ideen von Zen-Priestern zu Stereotypen gemacht, die glänzend, frei und leicht, unegoistisch und offen sein sollen, wie Zeichen in einem Band mit Erzählungen. Sie besichtigen Zen-Tempel und finden sie wegen ihrer Einfachheit und Reinheit schön. Diese Menschen schätzen nur die Kunst der Atmosphäre. Überflüssig zu erwähnen, dass sie sich nicht um religiöse Übung kümmern.
Sawaki Roshi : He! Was glotzt du so? Siehst du nicht: Es geht um dich!?
Kein Nutzen
Sawaki Roshi : Was ist der Nutzen der Zazen-Übung? Es gibt keinen. Bis sie dein dickes Skelett durchdringt und du wirklich Zazen übst, ist sie nicht von Nutzen, wirklich nutzlos.
Uchiyama Roshi : Sein ganzes Leben lang sagte Sawaki Roshi: „Es gibt keinen Nutzen in der Zazen-Übung.“ 1941 wurde ich Mönch und einer seiner Schüler. Bald danach fragte ich ihn: „Wenn ich unter Ihrer Anleitung studiere und Zazen so lange übe, wie Sie in der Lage sind zu lehren, kann ich dann ein stärkerer Mensch werden?“ Er antwortete sofort: „Nein, kannst du nicht, egal, wie sehr du es versuchst. Ich wurde nicht durch Zazen der, der ich bin. Ich bin von Natur aus so. Ich habe mich seit meiner Jugend nicht geändert.“
Sawaki Roshi war ungewöhnlich und dynamisch. Er war der Typ von Mensch, der in sich das Bild des alten Zen-Meisters verkörperte. Als ich seine Antwort auf meine Frage hörte, dachte ich: „Ich kann durch Zazen ein stärkerer Mensch werden. Er hat zwar das Gegenteil gesagt, doch das war nur Gerede.“ In diesem Glauben diente ich ihm und fuhr mit Zazen fort, bis er starb. Wenn ich an meine Vergangenheit zurückdenke, verstehe ich nun,
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