Die Zen-Lehre des Landstreichers Kodo (German Edition)
genau jetzt.
Selbst-Interesse
Sawaki Roshi : Gutes zu tun kann böse sein. Es gibt Menschen, die Gutes tun, um sich selbst zu schmücken.
Uchiyama Roshi : Nehmen wir an, jemand besucht, mit Geschenken beladen, Leprastationen und Sanatorien für Tb-Kranke und sagt: „Ich möchte euch helfen, damit ihr euch möglichst problemlos medizinischer Behandlung unterziehen könnt.“ Dann wird er ein Kandidat fürs Unterhaus und sagt: „Wie geht’s? Ich unterstütze euch Patienten. Ich werde eure Ausstattung verbessern, wenn ich dafür einen Sitz im Unterhaus bekomme.“ Er gewinnt einen Sitz im Unterhaus und bemüht sich, die Ausstattung für die Patienten zu verbessern, doch er steckt einen Anteil in die eigene Tasche und bereichert sich selbst. Unterstützt er die Patienten oder nutzt er sie aus? Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich bedaure, dass es genau so in der menschlichen Gesellschaft zugeht. Du solltest dich durch dich selbst beurteilen und dir vorstellen, dass du allein vor Gott stehst und sein Urteil empfängst.
Der Grund, warum wir heutzutage mit der Politik unzufrieden sind ist, dass es kaum noch jemanden gibt, der sein Leben der Politik so widmet wie es in der Meiji- und frühen Taisho-Ära üblich war, sondern meist nur Menschen, die sich selbstsüchtig betätigen.
Das gleiche gilt für die Religion. Alles gibt einen Kick, ob einer an Religion glaubt, um sich selbst zu verbessern oder ob jemand seinen Geist, der etwas gewinnen will, loslässt. Ersterer ist ein Ketzer, der Gott und Buddha ausnutzt, letzterer eine wahrhaft religiöse Person. Wenn du jemanden siehst, der sich vor Gott oder dem Buddha niederwirft und ergeben betet, kannst du unmöglich wissen, ob sein Glaube echt oder geheuchelt ist. Es hängt von der letzten Bewertung seiner Taten ab. Dies gilt auch, wenn er eine heilige Person ist und von vielen Menschen respektiert wird.
Sawaki Roshi : Wir müssen alle mit offenen Augen in Bezug auf die Motive unseres Handelns über uns nachsinnen. Irgendwie sind wir, bevor wir es überhaupt bemerken, um unsere Erscheinung besorgt wie ein Alleinunterhalter. Wenn deine Übung wie eine Aufführung vor Publikum ist, kann sie nicht Religion wie der Buddha-Dharma sein.
Noten fürs moralische Verhalten
Sawaki Roshi: Da fragte mal einer einen Mathematiker, ob es die „1“ wirklich gäbe. Die Antwort war, dass die Mathematik tatsächlich „nur davon ausgeht“, dass es die „1“ gibt.
Im Buddhismus gibt es keine „1“. Es heißt: „Zwei gibt es auf Grund der Eins, doch halte auch an der Eins nicht fest.“
Eins ist alles, alles ist Eins.
Uchiyama Roshi: Taschenrechner ermöglichen es heute, präzise zu rechnen, aber als ich letztes Jahr die Rechnung für meine Krankenversicherung bekam, kamen mir die Zahlen erstaunlich hoch vor. Als ich beim Versicherungsamt nachfragte, kam heraus, dass die zuständige Dame ein oder zwei Nullen zu viel eingetippt hatte. Der Taschenrechner selbst arbeitete präzise – und bewies damit nur, wie lässig und ungenau die Beamten bei ihrer Arbeit sind.
Ein Lehrer besuchte mich vor einigen Tagen und sagte mir: „Wir sollen den Schülern jetzt Noten für ihr moralisches Verhalten und Verantwortungsgefühl geben. Was halten Sie davon?“ Da ich nicht viel vom Erziehungswesen verstehe, war ich zunächst sehr überrascht. Dass man in den Naturwissenschaften alles mit Zahlen ausdrücken kann, ist mir klar, aber kann man auf die gleiche Weise den Wert eines Menschen beurteilen? Eher als den Schülern möchte ich dem Kultusminister Noten für seine Moralvorstellungen und sein Verantwortungsgefühl geben – und das wären keine so guten Noten!
Jedenfalls riet ich dem Lehrer, dem nichts anderes übrig blieb, als sich an die Richtlinien des Kultusministeriums zu halten: „Ich würde einfach jedem der Schüler ‚90%’ geben, denn im Zen-Buddhismus heißt es, das neunzig besser als hundert Prozent sind. Aber wichtiger als das ist, dass Sie ihren Schülern dafür auch beibringen, was Verantwortung wirklich bedeutet, und dass Sie gemeinsam mit ihren Schülern die ganze Verantwortung für ihr Leben und ihr moralisches Verhalten übernehmen.“
Sawaki Roshi: Alles muss auf genau eine Weise sein, doch gleichzeitig kann es auch so sein, wie es will. Nichts muss auf irgendeine bestimmte Weise sein, doch alles muss auf die höchste und beste Weise genau so sein, wie es ist.
Tadellos sein
Sawaki Roshi : Unser Leben ist kompliziert. Es gibt
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