Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
Vom Netzwerk:
nur einen anderen Schwertführer der Göttin lebend angetroffen, und Kaman war an ein Kreuz genagelt gewesen, sein Schatten zu seinen Füßen gepfählt. Als ich ihm anbot, ich könnte versuchen, ihn zu befreien, spuckte er mich an und verfluchte den Namen der Göttin, ehe er mich anflehte, seinem Leben ein Ende zu machen. Ich benutzte einen Pfeil aus der Entfernung und brachte die nächsten Monate damit zu, ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel mit der Elite zu spielen, die ihn dort aufgehängt hatte.
    Eine zehn Fuß hohe Steinmauer umgab das Marchon-Anwesen. Die Mauer war viel zu lang, um wirkungsvoll zu schützen, aber die Eigner hatten getan, was sie konnten. Auf der Krone befanden sich scharfkantige Scherben von Keramikwaren, um menschliche Eindringlinge fernzuhalten, und trockene Mistelzweige zur Abwehr der ruhelosen Toten. Silbernägel wären Letzterem dienlicher gewesen, doch die wurden üblicherweise schneller gestohlen, als sie ersetzt werden konnten, sogar in einer Nachbarschaft wie dieser. Eisenspäne waren nicht ausgebracht worden, aber ich ging davon aus, dass ich am Landhaus derMarchons durchaus welche finden würde, denn dort stellten die Kreaturen wilder Magie eine ernstere Gefahr dar.
    Unverletzt über die Mauer zu kommen kostete mich noch ein wenig mehr Nima, da ich einen kleinen Zauber benötigte, um mich vor den scharfen Kanten zu schützen. Die Baronin ließ freilaufende Hunde über das Gelände streifen, große, grausame Bestien, die sich bei der Jagd sowohl ihrer Augen als auch ihrer Nasen bedienten. Triss’ verhüllende Präsenz war in diesem Punkt keine Hilfe, aber mir begegneten nur vier von ihnen, und bei jedem Einzelnen erwies sich ein Maul voll Rotkehlcheneier, gefüllt mit Opiumpulver und Efik, als recht hilfreich. Als ich die letzte Portion ausgeteilt hatte, nahm ich mir vor, einen Teil des Lohns dazu zu nutzen, etwas mehr von diesen fein gemahlenen Pülverchen zu erwerben, die für die Herstellung nötig waren. Das schmale Messingkästchen, in dem ich sie aufbewahrte, war beinahe leer.
    Wie die meisten freistehenden großen Häuser war auch das der Marchons mehr als nur zur Hälfte erbaut wie eine private Festung. Im Erdgeschoss zeigte das Gemäuer der Welt ein schmuckloses Kalksteinantlitz ohne jegliche Fenster. Eine dichte Reichsbuschrosenhecke wucherte als zusätzlicher Schutz dicht am Gebäude empor, und ihre Ranken reichten hinauf bis zum ersten Stockwerk. Den Aufstieg würde ich dank der Dornen in Blut bezahlen, und ich wünschte, ich dürfte es wagen, Magie zu nutzen, um sie zur Seite zu schieben, aber wenigstens machte der himmlische Duft der frischen Blüten das Leid ein wenig wett.
    Der Balkon im zweiten Obergeschoss war breit und tief und ruhte auf vier dicken, marmorgefassten Säulen mit einer polierten Oberfläche. Kletterte ich eine davon empor, könnte ich den Rosen aus dem Wege gehen, aber dafür würde ich einen Überstand meistern müssen, der tiefer war als ich groß – das war die Mühe nicht wert. Umso weniger, da das dekorative Mauerwerk an der Hausecke mir so etwas wie eine halbe Leiter für meineZwecke zur Verfügung stellte. Ich kletterte also an der Ecke hinauf und über die Rahmen der Fenster des ersten Obergeschosses weiter zum Rand des Balkons, wo ich mehrere Minuten lang regungslos verweilte, um den derzeitigen Stand der Dinge mit meinen Erinnerungen an frühere Besuche zu vergleichen.
    Nun fand ich noch mehr Rosen, einige davon an einem Rankgerüst in der Mitte, wo sie vermutlich dazu dienten, in den brutalen Sommern von Tien einen Bereich des Balkons zu beschatten, der als Freiluftspeisezimmer genutzt wurde. Andere verteilten sich in Pflanztöpfen unterschiedlicher Größe auf dem Balkon. Dies waren sanftere Variationen der bösartigen Reichsbuschrose, aus der die Schutzhecke vor dem Haus bestand. Kombinierte man diese Rosen mit dem kleinen Hain aus dekorativen Orangenbäumen, die bis kurz unter den Balkon reichten, so schien es, als sähe man einen schwebenden Garten vor sich, der auf einem Meer aus Blüten dahinsegelte. Aber ich war nicht wegen der Aussicht gekommen, also glitt ich bald über das Geländer und ging zu dem kleinen Fenster, an dem ich den Empfänger der Botschaft treffen sollte.
    Ich hatte gerade die Hand gehoben, um den Riegel zu kontrollieren, als die Balkontür hinter mir geöffnet wurde und sich Licht von dem Kronleuchter im Raum auf den Marmorboden ergoss. Rasch und leise tat ich drei lange Schritte und kauerte mich in dem tiefen

Weitere Kostenlose Bücher