Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
etwas verändert hat, so ist Eure Haltung von einer noch charmanteren Offenheit, als ich sie in Erinnerung habe.«
Die Baronin sah aus, als hätte er ihr eine Ohrfeige versetzt, und, nun ja, das hatte er. »Wie könnt Ihr es wagen! Ihr seid weiter nichts als ein schmutziger Bauer mit einem überentwickelten Selbst...«
»Halten Sie den Mund, Baronin, und überlegen Sie, was ich bin.« Davins Stimme war so glatt wie gestreng und machte ihrer Hetzrede ein jähes Ende. »Unser Vertrag verlangt keine Buckelei von mir, und ich habe weder die Zeit noch die Geduld, vorzugeben, er täte es. Euer adliges Blut beeindruckt mich nicht im Mindesten. Zass und ich haben bei einigen Gelegenheiten weit Blaueres vergossen, und, offen gesagt, es sieht alles gleich aus, wenn es in den Schmutz tropft.«
Er nahm einen weiteren Schluck und wedelte den Efikgeruch in meine Richtung. Ich holte einmal tief durch die Nase Luft – gute Bohnen, die gerade lange genug gezogen hatten. Wie ich das vermisst hatte.
Die Baronin fletschte die Zähne. »Ich ... Ihr ... Wie ...« Doch dann brach sie abrupt ab, richtete sich kerzengerade auf und nickte so schwach wie herrschaftlich. Als ihre Stimme nun wieder erklang, war sie eiskalt und absolut beherrscht. »Ich verstehe. Danke, dass Ihr mich daran erinnert, warum und wozu ich Euch geheuert habe, Assassine. Im Gegenzug solltet Ihr darandenken, dass ein Schatten auf jeden fällt, der keinen wirft. Der Tempel von Namara ist eine rauchende Ruine, und Eure Göttin ist so tot, wie es von Euch behauptet wird. Die Ächtung der Klingen Namaras ist recht eindeutig in Bezug auf ...«
»Pst«, sagte Devin, hob eine Hand und unterbrach sie so ein zweites Mal. Als er dann sprach, zog er zugleich mit der anderen Hand ein kurzes Krummschwert hinter seiner Schulter hervor. »Wir sind nicht allein, Baronin.«
Ich wusste nicht recht, was mich verraten hatte, vermutlich ein scharfer Atemzug in dem Moment, in dem die Baronin den Namen der Göttin ausgesprochen hatte. Es waren Jahre dahingezogen, seit ich jemanden laut ihren Namen hatte sagen hören oder ihn selbst genannt hatte. Auf diese Weise erlebte ich das alles weniger schmerzhaft. Andere ... nun ja, wozu sollte man auch eine tote Göttin anrufen?
»Ich weiß, dass du da bist.« Aufmerksam schaute sich Devin um, und ich zog den Kopf ein, um meine Augen zu verbergen. »Ob du nun ein einfacher Einbrecher bist oder ein Horcher oder ein Vertreter einer anderen Variante des Schattengewerbes, du kannst nicht hoffen, davonzukommen. Du hast gehört, was die Baronin über meinen Schatten gesagt hat, und du weißt, was es bedeutet, anderenfalls hättest du dich nicht gerade in dem Moment verraten. Kommst du jetzt raus, damit wir gütlich miteinander reden können, oder erklärst du dich zum Feind, indem du in deinem Versteck bleibst?«
Was sollte ich tun? Das war die schwerste Entscheidung, vor der ich seit Jahren gestanden hatte, und es war eine, bei der mir meine Ausbildung nicht helfen konnte. Ein Teil von mir wünschte sich nach wie vor verzweifelt, mit Devin zu sprechen, ihn als Bruder in die Arme zu schließen, der gegen alle Hoffnung und noch aus dem Grab heraus zurückgekehrt war. Aber die Zeit, die mir die tief verwurzelte Disziplin zum Nachdenken verschafft hatte, hatte zu viele Fragen aufgeworfen.
Wie konnte Devin dem Sturz des Tempels entgangen sein, obgleich das so vielen anderen nicht gelungen war? Und wenn er das geschafft hatte, warum stand dann sein Name auf der Liste der Toten und nicht neben meinem auf der der Geächteten? Ich wollte nicht glauben, dass jemand, dem ich vertraut hatte, die Göttin verraten hatte, aber welche andere Erklärung konnte es geben? Für sein Überleben? Für seine Anwesenheit? Und, da wir schon dabei sind, für die Gesellschaft, in der er sich befand?
Die junge Baronin mit ihrer geringschätzigen Haltung und ihrem Gerede über schmutzige Bauern und das Anheuern von Assassinen war exakt die Sorte unrechter Autoritäten, die in Schach zu halten Namara den Orden der Klingen gegründet hatte. Nun herauszufinden, dass Devin, der einst korrupte Generäle und irrsinnige Herzoginnen im Namen der Göttin getötet hatte, für solch eine Kreatur arbeitete ...
Aber war ich wirklich so viel besser? Ich mochte nicht für Geld töten, aber ich hatte meine eigenen, von der Göttin geschulten Gaben genommen und war zum Schattenlöhner geworden, schmuggelte Waren und Briefe, spielte den Leibwächter für Strolche und Schurken aller
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