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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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Art und ließ mich gelegentlich, wenn es mir nur schlecht genug ging, sogar für einen Diebstahl anheuern. Ich wusste nicht, was ich denken oder tun sollte.
    Während ich da kauerte, paralysiert von der eigenen Unentschlossenheit, zog Devin seine zweite Klinge. Als sie sich aus der Scheide löste, blickte ich auf und sah für einen Moment die ovale Lapislazuli-Intarsie am Stichblatt aufblitzen wie ein stets offenes blaues Auge – das starre Auge der Gerechtigkeit. Das war die Botschaft, die ich gebraucht hatte. Für mich musste Devin weiterhin so tot sein, als hätte ich ihn persönlich begraben, ein weiterer Teil der Vergangenheit, den ich für immer hinter mir gelassen hatte.
    Ich mochte aus meinem Leben eine Ruine geformt haben, die ein Spiegelbild der Tempelruine war, aber das hatte ich getan, ohne die Klingen der Gerechtigkeit in Mordwerkzeuge zu verwandeln. Mein Schwert lag nun auf dem Grund des heiligen Sees, woher es auch gekommen waren. Ein beschwertes Bündel, das jegliches Abbild des starren Auges aus meinem Besitz enthielt, war mit ihm gegangen. Ich mochte dem Schattengewerbe nachgehen, um Körper und Seele beisammenzuhalten, aber ich weigerte mich, dabei irgendein Symbol meiner Göttin zu tragen. Ich weigerte mich, so zu tun, als wäre ich irgendetwas anderes als der jämmerliche Schattengewerbler, der ich geworden war, oder so zu tun, als würde die Göttin gutheißen, was ich tat.
    Meine Ausbildung gewann wieder die Oberhand. Hast du dich einmal entschlossen zu handeln, dann handele entschlossen.
    Ich signalisierte Triss, dass wir loslegen mussten, und er übergab mir wieder die Kontrolle. Ich löste die scharze Seidenschnur von meinem Bündel und legte eine Schlinge um den steinernen Pflanztopf, den ich als Versteck gewählt hatte. Dann, als Devin gerade auf uns zustürzte, tat ich zwei große Schritte und sprang über die Vorderseite des Balkons – fern von den Rosen. Hätte nicht ein verdickter Schattenfleck als Handschuh agiert, ich hätte mir die Hand übel am Seil verbrannt, als ich es als Reibungsbremse auf dem Weg nach unten missbrauchte.
    In dem Moment, in dem mein Fuß auf dem Boden aufkam, ließ ich das Seil los und schritt locker, aber hurtig davon. Ich wusste, dass Devin direkt hinter mir war. Wollte ich ihn abhängen, musste ich so schnell wie möglich so viel Abstand wie möglich zwischen uns bringen, ohne dabei in die Art von angestrengtem, deutlich vernehmbarem Lauf auszubrechen, die es ihm gestatten würde, mir mittels Gehör zu folgen.
    Die Konzentration auf das, was ich zu tun hatte, half mir, das Durcheinander der Gefühle zu ignorieren, die mich verschlingen wollten, und wenn ich auch nichts Genaues von Triss empfangen konnte, fühlte ich doch die sonderbaren, wilden Echos, die sich aus seinen Träumen ergossen und auf ein noch turbulenteres Stadium der Verwirrung hindeuteten, als ich es eben erfahren hatte.
    Unterwegs wechselte ich einige Male abrupt die Richtung in der Hoffnung, meine Spur zu verwischen, strebte dabei aber stets der nächsten Ecke des Anwesens zu. Zu einer anderen Zeit hätte ich vielleicht beschlossen, mich auf dem Gelände zu verstecken und darauf zu warten, dass die Jagd zu Ende ging, die Aufregung vergessen wurde und eine Lücke zurückließe, die ich hätte erforschen können. Doch ein so nahes Aufgebot der Elite in Kombination mit dem Unbekannten, das Devins Präsenz repräsentierte, veranlasste mich in diesem Fall, anders zu entscheiden.
    Die äußere Mauer war inzwischen in Sicht, und ich hatte gerade angefangen, etwas weniger schwer zu atmen, als ich geradewegs in einen der Hunde der Baronin rannte. Ein Opium-Efik-Ei auf der Nase setzte ihn Sekunden später außer Gefecht, doch erst nachdem er genug Lärm veranstaltet hatte, um einem Mann mit Devins Ausbildung zu verraten, wo ich war.
    Damit stand ich vor einem Dilemma. Um rauszukommen, musste ich die Mauer überwinden. Da bei Anlage und Unterhaltung des Anwesens Sicherheitserwägungen im Vordergrund standen, gab es keine Bäume, die nahe genug an der Mauer waren, um ohne Schattenschwingen hinüberzusetzen, was bedeutet hätte, ich müsste meinen Schleier fallen lassen. Wollte ich aber meine Schattenlakune beibehalten, musste ich entweder an der Ecke über die Mauer klettern, wo ich mich an den Steinen abstützen konnte, und mich über die Tonscherben auf der Krone werfen – meine ursprüngliche Absicht –, oder ich musste die gleiche Art Magie benutzen, die ich schon zum Hereinkommen angewandt

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