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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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zurück. Die einzige Seele, die mir begegnete, war der Fahrer eines Rollwagens, der von der Küstenstraße zum Ende des Kanals zog. Knapp über seinem Kopf hüpfte eine trübe Öllampe hin und her und spendete ihm Licht auf seinem Weg.
    Das Lächeln des Mantikors krönte eine alte Gerberei. Bar und Tische verbargen sich mit Hilfe eines Haufens alter, zerfledderter Segel, die in Oris getaucht und wie eine Markise über dem ganzen Bereich gespannt worden waren, vor fremden Blicken. Da das Lokal darüber hinaus zu allen Seiten offen war, musste ich hinaufklettern und es einmal komplett umrunden, damit Triss nach Zass’ Spur suchen konnte.
    Als ich eine kleine Flasche Kyles samt einem sauberen Glas bestellte, um mir eine Ausrede zu verschaffen, mich unter dieübrigen Gäste zu mischen, kniff mich Triss grob in die Ferse, worauf ich stolperte und mühsam ein Knurren unterdrücken musste. Was wollte er eigentlich von mir? Sollte ich mit leeren Händen durch den Gastraum streifen? Denn das würde sich in den Augen der Betreiber eines illegalen Clubs richtig gut machen. Oder hätte ich vielleicht um eine Tasse Tee bitten sollen?
    Das Mantikor hatte außer Alkohol nur Dinge im Angebot, die Alkohol im Vergleich so harmlos wie Bonbons erscheinen ließen. Ich hatte wirklich keine große Wahl, wenn ich etwas wollte, das ein intaktes Siegel einer angesehenen Brennerei trug. Also versprach ich Triss im Stillen, mich mit einem Glas zu begnügen, und mir, ihm von diesem Versprechen zu erzählen, sobald wir irgendwo waren, wo wir uns wieder ungefährdet unterhalten konnten. Dann ging ich zum Rand des Dachs und tat, als würde ich auf die Stadt hinausblicken, während ich den Gastraum umrundete.
    Zwanzig Minuten später hatte ich ihn einmal umkreist und eineinhalb Gläser getrunken – kurz hatte ich mich mit Ashelia unterhalten, einer alten Bekannten aus Schmugglerkreisen, die meinte, sie hätte Arbeit für mich. Auch in diesem Fall hatte ich keine andere Wahl, als nett mitzuspielen. Sie wieder loszuwerden kostete mich ein weiteres halbes Glas und das Versprechen, mich bei ihr zu melden, sobald ich mit meinem derzeitigen Auftrag fertig war.
    »Und?«, fragte ich Triss, kaum dass wir die klapprige Treppe hinter uns gebracht hatten, die uns zurück nach unten führte.
    »Nichts«, sagte Triss, und sein Ton schwankte zwischen Niedergeschlagenheit und Zorn. »Kein Zass. Kein Devin. Nichts, das die ... Mühen wert gewesen wäre.«
    Ich verzog das Gesicht in Anbetracht der unüberhörbaren Botschaft. »Hör mal, Triss, es tut mir leid wegen des Kyles, aber ich musste etwas trinken, um meine wahre Absicht zu verschleiern.«
    »Und darum hast du gleich eine ganze Flasche gekauft?«
    »In einem Lokal wie dem Mantikor will man ein Siegel sehen. Außerdem ist es eine kleine Flasche. Und ich hatte so oder so vor, nur ein Glas zu trinken.«
    »Ich habe zwei gezählt.«
    »Das war wegen Ashelia. Hätte ich nicht weitergetrunken, hätte sie womöglich Verdacht geschöpft.«
    » Das wäre wirklich untypisch gewesen, nicht wahr?«
    Ich zog die Flasche aus der Tasche, in die ich sie gesteckt hatte, und warf sie über die Schulter, worauf sie auf dem Pflaster zerbarst.
    »Jetzt zufrieden?«, grollte ich.
    »Entzückt«, fauchte er.
    »Gut.«
    Ohne ein weiteres Wort machte ich kehrt und ging die Straße hinauf zum westlichen Ende von Klein-Varya, dort, wo es an Tiefdrunter grenzte und die Küstenstraße nach Tien hineinführte. Tiefdrunter war ursprünglich eine Barackenstadt gewesen, in der sich Fahrer und Händler getroffen hatten, deren Handelsware oder Tiere billig oder in irgendeiner Weise ungeeignet für die Schiffsreise gewesen waren, und von diesen armseligen Anfängen hatte sich das Viertel nie erholt. Die Straßen wurden schmaler und schmutziger, je näher wir des Toten Manns Börse kamen, und boten einer Klinge, die darauf wartete, zuschlagen zu können, unzählige Verstecke. Wieder zog ich das linke Schwert aus der Scheide und trug es an der Schulter.
    Der Tote Mann stand zwischen einer angeseheneren Taverne zur Rechten und einem Bordell zur Linken. Ein Schildhalter ohne Schild hing über der Eingangstür wie eine subtile Anspielung auf den Namen des Etablissements. In Tien war die Börse eines toten Mannes normalerweise schon verschwunden, ehe die Leiche auch nur Zeit hatte, zu Boden zu sinken.
    Das ganze Gebäude lehnte sich nach links, als wollte es sichauf das Bordell legen oder fürchtete, womöglich seitens des anderen Nachbarn

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