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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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eigenes Gefühl für Fairness dazu gezwungen (und Jakes Mutter war fair, das musste er ihr lassen), ihm wirklich Freiheit zu gewähren. Wenn er in Manhattan war, nahm er mit Henry und dessen Zwillingsbruder James, die bei ihm in der Nachbarschaft wohnten, immer den Bus durch den Park – seine Mutter wollte, dass er mit anderen zusammen fuhr –, und dann trafen die drei sich mit McHenry, Davis und Django. Sie waren echt eine tolle Truppe. Henry hatte Jake mit hereingebracht. In der ersten Schulwoche hatte Henry ihn kurz gemustert und gesagt: »Du siehst cool aus«, was ihm bei den Jungs einen Haufen Elend erspart hatte. Das war echt super gewesen von Henry, und Jake fand, er schuldete Henry dafür eins seiner Eier oder ein Leben lang positive Schwingungen. Vielleicht sogar Geld.
    Manchmal stromerten Henry und James und Jake bei Nacht durch den Park und rauchten Zigaretten und trafen sich dort in der Mitte mit McHenry. Der hatte es immer mit dieser ganz bestimmten Parkbank am Big Circle, an der eine Plakette für seinen toten Großvater angebracht war, der »den ganzen Haufen Geld gemacht hat, von dem wir andern alle leben«, mit Bankgeschäften oder so. Auf dieser Bank saß McHenry immer gern, um sich einen Joint zu genehmigen, und sagte jedes Mal, wenn er einen ansteckte und den Rauch einsog, mit erstickter Stimme: »Der ist jetzt für dich, Pops«, bevor er den Joint an James weiterreichte. Jake und Henry rauchten kein Hasch, sondern spielten lieber Basketball. Henry fuhr gern Skateboard. Und mochte ultimatives Frisbee. Solche Sachen eben. Ab und zu rauchten sie auch eine Zigarette. Süchtig waren sie aber nicht, es machte ihnen einfach nur Spaß. Es war echt cool nachts im Park. Nachts fühlte sich der Park ein bisschen bedrohlich an, so in der Richtung, dass sich Jake großartig vorkam, bloß weil er es dort aushielt. Als ob der Anblick der vier Gestalten, die dort abhingen, irgendjemanden in Angst und Schrecken versetzte!
    An der Park Avenue standen sie dann in Grüppchen auf dem Gehweg herum. Manchmal gingen sie auch auf eine Party. Oder wenn bei einem von ihnen niemand zu Hause war, zogen alle dorthin, und dann wurde getrunken und Musik gehört, man spielte Videospiele, und ein paar hatten auch Sex. Jake hielt sich ständig in fremden Wohnungen auf. Er war neu, für ihn waren also alle irgendwie fremd, aber viele Kids luden sich immer einen Haufen anderer Kids zu diesen Partys ein, die sie im Grunde gar nicht kannten.
    Auf die Art konnte man schließlich Freunde außerhalb der eigenen Schule finden. Jemand sagte: »Elis Leute sind auf Nantucket. Kommst du mit?« Jemand sagte: »Der Typ von der Trinity, also, seine Eltern haben gemeint, wir können auf ihrer Terrasse abhängen«, und schon zog ein ganzer Haufen los zu der betreffenden Adresse, die irgendjemand gebrüllt hatte, und dass einen da ein Wachdienst rauflassen würde. Manche dieser Wohnungen, in denen solche Spontan-Partys abgehalten wurden, waren echt Wahnsinn – eigentlich die meisten, schließlich lagen sie auf der East Side, an der Park Avenue. Manche waren aber auch klein, etwa wenn die Eltern geschieden waren oder die Mutter alleinerziehend war und das Kind adoptiert oder von der Samenbank. Oder wenn die Eltern Lesben waren. Die hatten selbst auf der East Side eher kleine Wohnungen.
    Mit diesem ganzen lockeren Hin und Her zwischen Kids, die einander nicht kannten, fühlte sich die Stadt klein an, und das gefiel Jake. Er kam aus einer Kleinstadt, und in dem Umfeld fühlte er sich wohl. Wahrscheinlich half es auch, wenn man jemanden abschleppen wollte, denn Abschleppen war immer einfacher, wenn man die andere Person nicht am nächsten oder übernächsten Tag in der Schule sehen musste. Oder wenn man auf die andere Seite der Park Avenue wechseln konnte, um ihr nicht zu begegnen. Die Park Avenue verfügte nämlich über praktische kleine Inseln in der Straßenmitte, natürliche Barrieren, falls man ein schützendes Bollwerk brauchte.
    Wenn sie nicht zu jemandem in die Wohnung gingen, saßen sie auf den Treppenstufen vor dem Museum, um zu kiffen oder Bier zu trinken. Wenn sie nicht kifften oder Bier tranken, hielten sie sich auf der Park Avenue auf. Meist liefen sie herum, riefen einander zu: »Ey, was läuft?« Es war eine rhetorische, keine ernst gemeinte Frage. Normalerweise lief gar nichts, außer es lief doch was. Sie waren Kids, sie waren einfach verzweifelt auf der Suche nach Beschäftigung.
    Audrey war nie auf der Park Avenue. Sie wohnte in

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