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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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Riverdale, in der Nähe der Schule. Luke ebenfalls. Jake konnte sich schon denken, was die zusammen im Wald bei Lukes Haus trieben oder in seinem Zimmer. Er wollte gar nicht dran denken.
    Wer in Riverdale oder in der Nähe wohnte, in Cedar Knolls oder Bronxville, und ein Auto hatte, eine Fahrerlaubnis für Anfänger oder coole Eltern, der hing bei den anderen zu Hause ab oder in dem Wäldchen bei der Schule. Manche fuhren Rad, so wie er früher zu Hause. Audrey sah nicht aus wie eine, die Fahrrad fuhr. Sie trug diese kleinen goldenen Ballerinas zur Schule und schwarze Jeans, die so eng waren, dass sie aussahen wie Strumpfhosen. Sie war total hip, Audrey. Sie hatte so schmale Fesseln. Sie trug schwarzen Eyeliner, passend zu ihren schwarzen Augen und dem kurzen geschwungenen schwarzen Haar mit der Schrägkante. Woher kam es, dass sie so stylish war? Sie war adoptiert. Hatte man sie, wie seine Schwester, in eine Zeitung gewickelt im Eingang eines Waisenhauses gefunden? Hatte sie einfach diese hippen Gene in ihrer DNA? War da ein gewisses Etwas, das sie hier in Riverdale cool machte und sie auch in China cool gemacht hätte? Oder bloß hier? Wie kam sie auf diese glatten, engen schwarzen Jeans und diese goldenen Ballerinas? Ihre Fesseln, das schmale goldene Band ihrer Haut! Wie ein Armreif zwischen Hose und Schuh. Und die Doc Martens im Winter? Mit den Doc Martens an diesen langen, dünnen Beinen sah sie aus wie in Moonboots.
    Audreys Handgelenk erinnerte an den Brustkorb eines Spätzchens. Dieses Bild kam Jake jedes Mal in den Sinn, als er sah, wie Luke sie im Korridor packte, ihr zartes Handgelenk mit seiner Riesenpranke umfasste. Autsch, du wirst dem Vögelchen den kleinen Brustkorb zerquetschen, dachte er, während Luke sie den Gang entlangzerrte. Und weil sie eins der wenigen Pärchen in ihrer Klassenstufe waren, machten alle Kids bereitwillig Platz. Sie waren irgendwie was Besonderes. Wie ein König und eine Hohepriesterin schwebten sie über dem Rest, denn sie allein hatten die Liebe gefunden.
    »So eine würd ich auch gern knacken«, sagte McHenry einmal, als die beiden an ihnen vorbeigingen. Jake musste sich schwer zurückhalten, um McHenry keinen Hieb in die Magengrube zu verpassen. Der Typ war manchmal echt ein Arschloch. Denn McHenry sagte es, als wüsste er Bescheid, dass sie Sex gehabt hatten, dabei hatte er keine Ahnung. Keiner von ihnen wusste, ob Audrey und Luke Sex gehabt hatten, und Jake wollte gar nicht dran denken. Wahrscheinlich ging allen Jungs das Gleiche im Kopf herum, wenn sie Audrey mit Luke zusammen sahen, dachte Jake, womöglich sogar den schwulen, denn auf eine ganz merkwürdige Art sah sie irgendwie aus wie ein hübscher Junge. Ihre Brust war so flach. Bloß zwei stecknadelkopfgroße Nippel zeichneten sich durch ihre schwarzen T-Shirts ab, dahinter vielleicht eine leichte Schwellung, wie eine geschwollene Unterlippe nach einem Kuss. Jake hatte Mädchen geküsst – hatte mit ihnen rumgemacht –, und wenn man sich losmachte, sogar schon nach einer Viertelstunde, wirkten ihre Lippen ein bisschen wie aufgeblasen. Einen anderen Ausdruck gab es dafür nicht, sie schwollen an. Einmal hatte Jake hinter Audrey am Wasserspender gestanden und die Innenseite dieses Handgelenks gesehen, als sie den Hahn aufdrehte – der Wasserspender stammte noch von anno dazumal. Man musste wie bei einem Flipperautomaten einen Metallhebel umlegen, damit Wasser herauskam – und so hatte er die Innenseite ihres Handgelenks gesehen und erst gedacht, es wäre ein Tattoo, bis er merkte, dass es blaue Venen waren, die auf den winzigen Knochen dieses zarten Handgelenks saßen, wie lange Würmer konnte man sie unter ihrer durchscheinenden Haut ausmachen. Er hätte gern ganz sachte auf eine gedrückt. Würden sie nachgeben unter dem Fleisch oder sich seiner Berührung entgegenrecken? Jake bezweifelte, dass Audrey je irgendwas aß. Sie sah aus, als lebe sie von Luft.
    Chinois .
    Es klang wie die raffinierte Bezeichnung für einen angenehmen, duftig zarten Windhauch … oder war das der Begriff Chinook ? Er müsste es mal nachschauen.
    Als Henry und James und McHenry und Django ihm also von der Party am Freitagabend in Fieldston erzählten, im Partykeller bei Olivia oder im Poolhaus oder wo auch immer, da meinte Jake, klar, er würde mitkommen. Vielleicht war ja Audrey auch dort, dann würde er sie was essen sehen. Das war sozusagen sein einziger Beweggrund. Außerdem drängten ihn die anderen Jungs mitzukommen. Seine Mutter

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