Die Zerbrechlichkeit des Gluecks
hat.
Pikanterweise liegt Richards Autowerkstatt namens MTP (die Abkürzung steht für More Than Parking – »Mehr was denn?«, hatte Lizzie gefragt. »Bikini-Waxing vielleicht?«) in Manhattanville und ist auch eins der ersten Grundstücke, die an die Universität übergeben werden sollen, denn unter Richards Federführung ist die Universität seit einem halben Jahr MTPs Vermieter. Die Werkstatt liegt etwa eine Viertelstunde Fußmarsch von den Büroräumen des Abgeordneten an der 125th Street entfernt – fünf Minuten, wenn Richard ein Taxi ergattert, was auf der 125th Street nicht immer möglich ist. Deshalb bleibt ihm nur sehr wenig Zeit, sich von dieser Besprechung loszueisen, falls er das tatsächlich vorhat. Auf jeden Fall ist es das, was seine Frau von ihm verlangt.
Er lässt Lizzie weiterreden, weil sie das jetzt braucht. Es ist immer klüger, sie ein wenig ausholen zu lassen, falls es zeitlich geht (sie wird logischer und vernünftiger, sobald sie Gelegenheit hatte, es »rauszulassen«), bevor er sich einschaltet. Normalerweise hilft er ihr gern, es verschafft ihm ein gutes Gefühl. Momentan aber, in seinem großen Moment, spürt er Ärger in sich aufsteigen – wieso kann sie das nicht einfach selber deichseln? Trotzdem ist jetzt nicht die Zeit für Gereiztheit – er liebt sie, er ist ihr Ehemann, es geht um ihren gemeinsamen Sohn, er muss sie beruhigen.
»Das Geheimnis von Richards Erfolg ist sein kühler Kopf«, sagt Lizzie immer – und verzieht dabei ihren hübschen Mund etwas säuerlich –, wenn Freunde manchmal Richards jüngsten Erfolg bewundern oder zu seinen Ehren ein Abendessen stattfindet. Sie macht ihm in der Öffentlichkeit Komplimente, stolz, aber leicht bissig, wie so viele verheiratete Frauen ihrer Generation, denn sie ist über Eifersucht keineswegs völlig erhaben. Sie ist, wie sie zugibt, nicht hundertprozentig ohne Neid auf seinen Status, selbst wenn sie in puncto Lebensqualität ja auf diesen zählt. Sie hat nicht alles erreicht, was sie erreichen wollte, gesteht sie immer wieder nach ein paar Gläsern Wein, und lässt dabei ihre Neurose frei heraus, trotz ihres Doktortitels, ihrer beiden Kinder, des Gezerres zwischen Familie und Beruf, ihrer gelegentlichen Gastspiele auf dem akademischen Parkett, wenn sie von Cornell mal hier ein Seminar, mal da ein Symposium zugeschanzt bekam, um gleich darauf wieder zu den Kindern zu rennen. Wer hätte gegen so eine Art von Freiheit denn was einzuwenden?, denkt sich Richard manchmal, wenn er abends länger im Büro bleibt und ihn Lizzie anruft und nach Hause zitiert. Männer durften sich noch nie lang und breit überlegen, ob sie arbeiten wollten – sie arbeiteten einfach und Schluss. Was sie an Richard am meisten bewundert, sagt Lizzie immer, wenn sie ganz offenkundig zu viel getrunken hat, ist die Tatsache, dass er nicht hin- und hergerissen ist – er ist ein gerader, unabhängiger, unbeirrt in Richtung Erfolg fliegender Pfeil.
Dann lass mich hier heute aber auch was zustande bringen, denkt Richard. Lizzie, Liebling, lass mich das jetzt nicht vermasseln.
Jake und das Mädchen sind Teenager. Teenager flirten und machen sich lächerlich. Die sind biologisch programmiert darauf. War er denn nicht auch mal jung? Was soll daran so schlimm sein? Als Teenager hatte er den ganzen Tag Sex im Kopf gehabt. Sogar wenn er gerade welchen hatte, dachte er daran, wann er das nächste Mal welchen kriegen konnte.
Richard schaut hoch und erhascht den Blick des selbstgefälligen jungen Community Organizers, Steven Schwartz, Absolvent der Astor University, vor Kurzem selbst noch ein Teenager. Ob er Sex hat? Schwartz hat diesen gewissen schluffigen Jungbolschewiken-Touch. Kinnbärtchen, kahlrasierter Schädel. Zehn Pfund zu viel auf den Rippen. Richard ist ein Vierteljahrhundert älter als dieser Kerl, trägt aber ein Drittel von dessen Körperfett mit sich herum. Zu Beginn der Sitzung brachte Schwartz den Begriff »Enteignungsverfahren« aufs Tapet: ein Erstschlag. Dabei zitterten seine Schultern vor lauter spätpubertärer Wut und kaum gebändigter Erregung – völlig voreilig, taub gegenüber den Rhythmen und Pariermanövern eines zeitlich gut platzierten und gekonnt ausgeführten Überfalls. Sogar Bert hatte den Kerl wütend angefunkelt. Diese spezielle Salve, nahm Richard an, hatte der Abgeordnete im aufgeladenen, temporeichen Allegro der Frage-Antwort-Diskussion nach der Präsentation im passenden Moment selbst abfeuern wollen. Richard schenkt
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