Die Zerbrechlichkeit des Gluecks
Strauß aussuchen. Danach würde sie ihrer Tochter in der Eisdiele kaufen, was sie nur wollte. Egal, was sie obendrauf haben wollte, selbst diese zahnschädlichen Gummibärchen. Das leichte Rauschgefühl war inzwischen verflogen, und Liz hatte sich wieder so weit im Griff, riss sich zusammen. Keine Tränen mehr vor ihrer Tochter, ihrem Schätzchen, bloß noch ein breites, sorgfältig im Gesicht arrangiertes Lächeln.
Aus der Menge ertönten Freudenschreie. Familien drängelten sich fröhlich um Ms Evans, Mrs Aguado und Mrs Livingston, als die Lehrerinnen jedem Kind einzeln die Hand schüttelten und es in die Obhut seiner jeweiligen Betreuer entließen. Keine Spur von Coco.
Liz rückte auf, und Mrs Livingston bemerkte ihre beunruhigte Miene.
»Coco B. ist auf der Toilette«, sagte Mrs Livingston. Sie deutete zur Tür. »Ist schon okay. Sie können hinein.« Ein krasser Regelverstoß, dass jemand von den Eltern durch den Ausgang wieder hineinging, aber egal, schien ihr Mrs Livingston glücklich, aber erschöpft bedeuten zu wollen. Es war praktisch der letzte Schultag.
Liz trat durch die rote Tür. Die Luft im Schulfoyer war kühler als draußen auf dem sonnigen Bürgersteig. Sie ging den Korridor entlang und dann nach links, wo die Toiletten lagen, und öffnete die Tür.
Dort stand Coco, umringt von einer Schar kichernder Mädchen. Clementine, Coco S. und noch zwei Mädchen, die Liz nicht kannte. Und in der Mitte der Meute – Coco B.! Coco Louise Mei Ping Bergamot. Liz brauchte einen Augenblick, um recht zu begreifen, was die ganze Aufregung sollte.
Zum Entzücken ihres Publikums schwang Coco ihre schmalen Hüften von einer Seite zur anderen und ließ dabei die Finger fächerartig über ihren flachen Brustkorb flattern. Dann drückte sie die Handflächen gegen die Schenkel und hob aufreizend den Saum ihres Röckchens hoch. Ihre Zuschauerinnen kicherten und krähten.
I love to love you, baby , hauchte Coco mit hoher Falsettstimme. I love to love you, baby …
Clementine lutschte an ihrem Daumen.
»Coco«, fuhr Liz sie an. Sie spürte, wie ihr der Schweiß an Nacken und Schultern gefror.
Coco hielt einen Augenblick inne. »Hi, Momma«, sagte sie mit einem breiten Lächeln.
Dann drehte sie sich um und streckte den wackelnden Hintern in die Luft. I’m feelin’ sexy, why don’t you say my name, little boy … Die Mädchen kicherten und kreischten.
Immer noch vornübergebeugt, griff Coco mit der Hand unter die Falten, um den Rock hochzuheben.
»Das reicht jetzt.« Liz’ Stimme zitterte vor Wut. Sie packte Coco beim Arm.
Coco riss erschrocken die Augen auf.
Liz bemühte sich, ihre Stimme neutraler klingen zu lassen. Selbst in ihren eigenen Ohren klang das, was herauskam, falsch und gekünstelt nett. So wie Erwachsene manchmal im Zeichentrickfilm sprachen.
»Na, ihr, jetzt saust aber mal los nach draußen. Eure Eltern fragen sich bestimmt schon, wo ihr seid.«
Clementine nahm den Daumen aus dem Mund.
»Na los«, scheuchte Liz die Mädchen durch die Tür.
Sie hielt Cocos Handgelenk immer noch fest umklammert. Coco drehte und wand sich.
»Autsch, Momma, du tust mir weh«, sagte Coco laut. »Fass mich nicht so an.«
»Sch, sch, Coco. Sei still.« Sie legte die Handflächen auf Cocos Schultern und begann sie in Richtung Tür zu schieben. »Wir gehen jetzt nach Hause.«
»Kein Eis?« Coco sah sie fragend an.
»Doch, nein. Doch, ach, ich weiß nicht«, sagte Liz. »Jetzt geh.«
Sie versetzte Coco einen leichten Schubs.
»Hat dir das Konzert nicht gefallen?«, fragte Coco. Sie blieb stehen und sah zu ihrer Mutter hoch. Ihre Augen glänzten.
»Oh doch, ja natürlich, es war wunderbar, mein Liebling, das Konzert war ganz toll. Du warst wunderbar, mein Schatz«, sagte Liz. »Tut mir leid, dass ich ausgerastet bin. Ich will jetzt bloß raus hier. Mommy kriegt Platzangst.«
»Hast du meine Stimme hören können?«
»Ja, ich hab deine Stimme hören können«, sagte Liz.
Sie legte den Arm um Cocos winzige Taille, und sie gingen auf den Seitenausgang zu.
»Liz!«
Als sie ihren Namen hörte, blieb Liz stehen und drehte sich um. Von hinten sonnenbeleuchtet, erkannte sie Sydneys verschwommene Silhouette in der offenen Schultür.
»Hast du meine Clemmie gesehen?«, rief Sydney vom anderen Ende des Vorraums herüber. »Mrs Livingston sagt, sie wäre im Mädchenklo.«
»Wahrscheinlich in dem im ersten Stock«, sagte Liz und ging einfach weiter.
»Und was jetzt?«, sagt Richard. Er hatte gehofft, es wäre der
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