Die Zerbrochene Kette - 6
ist, das Kind von diesem Mann und zu diesem Zeitpunkt zu empfangen. Weder die Familie noch der Clan des Mannes, weder Fragen der Erbfolge noch sein Stolz oder sein Wunsch nach Nachkommenschaft sollen dabei Einfluß auf mich haben. Ich allein werde bestimmen, wie und wo ein von mir geborenes Kind erzogen werden soll, ohne Rücksicht auf Stellung oder Stolz eines Mannes.« Die terranische Magda dachte: Also, das hat Sinn und Verstand. Aber das in Caer Donn aufgewachsene Mädchen entdeckte, daß es an den Worten zu ersticken drohte. Peter wollte ein Kind. Ich damals nicht, es war mir nur peinlich, das zuzugeben, und so war ich beinahe ebenso traurig wie er, als sich herausstellte, daß ich nicht schwanger war. Ich wünschte mir so sehr, ihm Freude zu machen. Mir war, als hätte ich ihn im Stich gelassen – und jetzt kann ich es nie… nie mehr gutmachen… Zu ihrem Entsetzen hörte sie sich laut schluchzen. Er wünschte es sich so sehr, und ich habe ihn darin enttäuscht, ich habe ihn in allem enttäuscht…
Jaelle wartete, bis Magdas Schluchzen verstummte, und wiederholte unerbittlich: »… ohne Rücksicht auf Stellung oder Stolz eines Mannes.«
Magda sprach es ihr unter Tränen nach. Sie befahl sich streng, sich zu fassen. Was geschieht mit mir? Warum breche ich auseinander?
»Von diesem Tag an enden für mich alle Verpflichtungen, die ich gegenüber Familie, Clan, Haushalt, Regent oder Lehnsherr hatte. Achtung schulde ich wie je der freie Bürger nur den Gesetzen des Landes, dem Königtum, der Krone und den Göttern.«
Magda wiederholte es mechanisch. Sie war vor Aufregung so erschöpft, daß sie kaum noch den Sinn verstand.
»Ich werde an keinen Mann Rechtsansprüche stellen, daß er mich beschütze, mich ernähre oder mir helfe. Eine Treuepflicht habe ich nur gegenüber meiner Eidesmutter, meinen Schwestern in der Gilde und meinem Arbeitgeber, solange ich bei ihm beschäftigt bin.«
Und was ist mit meiner Loyalität gegenüber dem Imperium? Magda wurde die Kehle eng; es kostete sie Mühe zu sprechen.
»Und weiter schwöre ich, daß jedes einzelne Mitglied der Gilde Freier Amazonen für mich sein soll wie meine Mutter, meine Schwester oder meine Tochter, geboren aus einem Blut mit mir, und daß keine der Gilde durch ihren Eid angehörende Frau sich vergeblich an mich um Hilfe wenden soll…«
Magda kämpfte schon wieder mit den Tränen. Sie dachte: Meine Mutter ist lange tot. Ich hatte nie eine Schwester, und ich werde nie eine Tochter haben. Trotzdem schwöre ich…
Jaelle ergriff Magdas kalte Hände. »Margali n’ha Ysabet, ich nehme dich im Angesicht der Göttin als Eidestochter an. Hinfort sollst du mir und jeder von uns in der Gilde wie eine Tochter und Schwester sein. Hier in Anwesenheit dieser Zeuginnen erkläre ich, daß du von die sem Augenblick an durch deinen Eid der Gilde Freier Amazonen angehörst und allein unseren Gesetzen unterworfen bist. Ich gebe dir die Freiheit der Gilde, und als Zeichen dafür tausche ich mit dir diesen Gruß.« Sie zog Magda an sich und küßte sie feierlich auf den Mund. »Knie nieder«, sagte sie leise, »und wiederhole: Ich schwöre, daß ich von diesem Augenblick an den Gesetzen der Gilde Freier Amazonen und jedem rechtmäßigen Befehl meiner Eidesmutter, der Gildenmütter und meiner gewählten Anführerin gehorchen werde. Und wenn ich ein Geheimnis der Gilde verrate oder meinen Eid breche, dann werde ich mich der Strafe unterwerfen, die die Gildenmütter über mich verhängen, und wenn ich das nicht tue, dann möge sich die Hand jeder Frau gegen mich erheben, sie sollen mich erschlagen dürfen wie ein Tier und meinen Körper unbeerdigt der Verwesung und meine Seele der Gnade der Göttin überlassen.«
Zu spät zum Rückzug. Benommen, verzweifelt hörte Magda sich die Worte stammeln, die sie dazu verurteilten, irgend jemanden zu verraten. Was ich jetzt auch tue, ich werde einen Eid brechen. Was soll nur werden, was soll nur werden?
Jaelle hob sie auf und umarmte sie fest. »Weine nicht, meine Schwester«, sagte sie leise, das Wort in der intimen Form benutzend. »Ich weiß, es ist ein großer und ernster Schritt, und wenige von uns haben ihn ohne Tränen getan.«
Camilla half ihr in ihre Jacke. »Armes kleines Ding, du bist bis auf die Knochen durchgefroren! Jaelle, wie konntest du sie während dieses ganzen langen Eides fast nackt dastehen lassen? Nachdem wir sie gesehen hatten, hättest du ihr Zeit geben sollen, sich anzuziehen!« Sie wikkelte eine Decke um die
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