Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
oberhalb des Kellerstockwerks und mir kam ein hastiger Gedanke, als ich an den Zellentüren, hinter denen beständige unterdrückte Laute zu hören waren, vorbeischlüpfte. Ich öffnete das Gitter, das den Fahrstuhl vor mir verschloss und zog mich an einer ächzend protestierenden Scheibe, die die Kabinen im tiefsten Punkt des Paternosters umleitete, vorbei in den Schacht. Rechts und links von mir liefen Drahtseile wie Schlangen, die sich in den Schwanz bissen. Ich wusste nicht genau, wann die Kabine mich einholen würde und begann daher, mich vergewissernd, dass Ynge und die Papiere in Manteltaschen, Gürtel oder Hosenbund steckten, mit dem Aufstieg.
Zunächst war es nicht schwierig, die Gittertür diente mir dabei, die Füße zu verkeilen, doch dann war ich am oberen Ende der Tür angelangt, und meine Hände ertasteten das kalte Gemäuer des Fundaments, auf dem das Stift erbaut war. Ich trat auf die Scheibe, doch diese drehte meinen Fuß herum und klemmte mich beinahe an der Mauer ein – mit einer Ausweichbewegung griff ich das massige Stahlkabel. Es gab einen Ruck in meinen Armen, als es mich ebenfalls hinaufzog, ich versuchte, mir den Halt damit zu erleichtern, dass ich mit den Füßen an der Wand mitlief, doch ich rutschte immer wieder ein Stück hinab. Mit zusammengebissenen Zähnen und dem Geräusch der sich nähernden Kabine im Nacken – in welcher Sicherheitsmänner oder vielleicht gar der Professor selbst stehen konnten! – erreichte ich jedoch schließlich das obere Kellergeschoss und klammerte mich am Gitter fest, welches den Schacht auch hier verschloss.
Aus des Professors teuflischem Laboratorium hatte es keinen anderen Weg an die Oberfläche gegeben als den Paternoster – aber vielleicht würde ich in diesem Stockwerk eine Treppe, einen Schacht, eine Kellerfensteröffnung oder etwas dergleichen finden. Während ich noch zaudernd abwägte, ob ich das Gitter, welches den Korridor verschloss, wohl geräuschlos öffnen konnte, schob sich der Boden einer Aufzugskabine in mein Sichtfeld. Stimmen darin beendeten mein Zaudern, ich schob eine Hand durch das Gitter – betend, dass es nicht verschlossen war – und drückte die Klinke herab, mit der es sich beiseite schieben ließ. Bedrohlich schwankte ich selbst an der tückischen Gittertür, die Seile wollten mich wieder hinab in die Unterwelt locken, der Aufzug nahte über mir viel zu schnell – doch ich warf mich mit einem Hechtsprung bäuchlings in den Korridor hinein, der mich erwartete. Ohne eine Möglichkeit, die Tür wieder schließen zu können, streckte ich mich starr an der schmutzigen Mauer aus, hoffend, dass die spärliche Beleuchtung nicht ausreichte, um mich im Vorüberfahren zu erkennen. Als der Aufzug mich passierte, erkannte ich drei Gestalten darin, zwei davon unterhielten sich, ein weiterer trug einen Tank auf dem Rücken, sein Gesicht war hinter einer metallenen Maske verborgen, als er mich anstarrend in die Tiefe verbannt wurde. Viel zu langsam zog die Kabine vorbei, doch niemand entdeckte mich.
Unter mir wurden Rufe laut, als offenbar wurde, dass ich die Spulen deaktiviert hatte – meine Spuren jedoch schienen vorerst in die entgegengesetzte Richtung zu weisen, denn die Schritte trampelten den Korridor hinab zu den Laboratorien. Ich bildete mir ein, den schleppenden, vernunftlosen Tritt des Mannes, des Etwas mit der Maske, heraushören zu können.
Rasch rappelte ich mich auf. Auch dieser Korridor war finster, doch wie ich gehofft hatte, schien ein Keil Tageslicht hinein. Eine rosenförmige Glasstruktur am Ende des Korridors, in sicherlich drei Metern Höhe oberhalb der entgegengesetzten Wand, ließ das Sonnenlicht des Erdgeschosses herein. Auch hier zweigten Türen ab, hinter der ersten vermutete ich ob des Wummerns den Maschinenraum für den Paternoster. Einem plötzlichen Einfall folgend öffnete ich die Tür – sie war schmal und ging nach innen auf, einen Dampfkessel, einen Kolben samt Schwungrad sowie ein angeschlossenes Getriebe entblößend, die durch einen Durchbruch in der Wand die beiden Kabinen des Aufzugs in ihrer ständigen Bewegung hielten.
„Warte einen günstigen Moment ab!“, flüsterte Ynge gepresst. Sie sah fürchterlich aus, ich hatte den Eindruck, ihre Augen lagen tiefer in den Höhlen als zuvor. Ich drehte die Luftzufuhr unter dem Kohlefeuer auf, das sofort heller aufloderte. Gleichzeitig drehte ich wahllos an einigen Ventilen. Die Maschine fauchte protestierend und erhöhte ihren Takt. Es dauerte nicht
Weitere Kostenlose Bücher