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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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geboren wurde?«
    »Richtig, so steht es hier. Und wenn der, nämlich Paul, stirbt, bevor er selbst Vater wird, kommt Simon nach ihm in der Erbfolge. Dann bittet Madame Horstedt ihren Bruder noch, also Adam Donner, Simon die ganze Geschichte zu erklären und gemeinsam mit ihm ein Gebet für die Gesundheit des lieben Paul zu sprechen. Danach folgen nur noch Ermahnungen, nicht soviel zu studieren und ausreichend zu schlafen. Und zu essen, aber nicht zu fett. Auch keine Kartoffeln, die bekanntermaßen dem Fieber und der Wassersucht förderlich seien. Der Brief trägt auch ein Datum«, sie griff wieder nach dem ersten Bogen, »sie hat ihn am 28. Junius geschrieben. Das ist ziemlich lange her.«
    Für einen Moment war es still im Raum.
    »Natürlich ist das alles bedauerlich für den jungen Horstedt«, sagte Wagner schließlich. »Trotzdem darf man nicht hoffen, daß dem anderen, diesem Engländer, etwas geschieht, meine ich, besonders etwas, das er nicht überlebt. Dennoch verstehe ich nicht, was das Ganze mit unserem Fall zu tun hat.«
    »Ich auch nicht. Wagner. Ich finde es nur seltsam, daß Donner diesen Brief, der nichts Böses ahnen läßt, mit den anderen Papieren, die sehr wohl bösen Zwecken dienten, in der Ofenklappe versteckt hat. Und nun ist er tot. Nicht an einem Fieber oder einer besonders bösartigen Gräte im Hals gestorben, sondern erstochen. Ich weiß nicht auf welche Weise, aber es ist doch möglich, daß auch diese Geschichte mit seinem Tod zu tun hat.«
    »Aber wie? Das Erbe geht ihn doch überhaupt nichts an. Sein Neffe würde erben, wenn es da nicht einen anderen gäbe. Wenn jemand Simon getötet hätte – aber auch das wäre unsinnig. Sinn macht nur, wenn jemand diesen anderen Jungen in England, diesen – wie heißt er? Ach ja, Paul –, wenn also jemand diesen Paul getötet hat, damit Simon ein reicher Mann wird. Davon hätte Donner als sein Onkel vielleicht profitiert. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß er ihn mit dieser guten Aussicht so schlecht behandelt hätte. Vielmehr hätte er sich doch um die Zuneigung seines Neffen bemüht, was kaum mit dem Stock zu erreichen ist.«
    »Wer weiß?« murmelte Wagner, den sein Beruf gelehrt hatte, stets das Finsterste anzunehmen. »Vielleicht liegt der andere Junge längst im Grab, und wir wissen es nur nicht.«
    Darüber mochte außer ihm niemand spekulieren.
    »Oder dieser Dingsbums, dieser Vater des Jungen in London, hat dem Advokaten falsche Urkunden vorgelegt, so etwas soll alle Tage vorkommen, und Simon ist doch der Erbe«, überlegte Rosina laut.
    »Aber warum dann Donner töten? Zuerst sollten wir Simon fragen, ob er überhaupt von diesem Brief weiß«, schlug Claes vor. »Vielleicht hat er Niklas davon erzählt.«
    Er stand auf, fand Betty auf der Treppe zur Diele und schickte sie nach seinem jüngeren Sohn. Der stand schon eine Minute später im Salon, mit zerzaustem Haar und leuchtenden Augen. Der durchdringende Geruch aus seinen Kleidern verriet, daß er sich lange und ohne Scheu vor den Tieren auf dem Wandsbeker Gestüt aufgehalten und gerade erst sein Pferd in den Stall gebracht hatte.
    Claes sah seinen Sohn an, und auch wenn er fand, daß dessen Kleidung und Reinlichkeit sehr zu wünschen übrig ließen, freute er sich über die Lebendigkeit und das strahlende, vom Ritt noch erhitzte Gesicht. Er würde also doch nicht zwischen uralten Büchern und Vitrinen voller toter Käfer und Schmetterlinge verstauben.
    Nein, sagte Niklas, er wisse nichts von irgendeinem Erbe, auch von einem Cousin in England habe Simon niemals erzählt. Allerdings – ein wenig von dem Strahlen in seinen Augen schwand –, Simon erzähle nie viel von seinen Belangen. Wenn es gewünscht werde, könne er ihn fragen. Er wolle gerne gleich zum Johanneum hinüberlaufen, der Rektor habe bestimmt nichts gegen einen Besuch, selbst wenn es dafür eigentlich schon zu spät sei.
    Ehe Claes entschied, ob die Frage nach Simons Erbe, die ja tatsächlich kaum mit Donners Tod verbunden sein konnte, bis morgen Zeit habe, meldete Blohm Besuch. Monsieur Müller, Rector Johannei, bitte empfangen zu werden und habe gleich gefragt, ob Simon noch hier sei. Seine Verwandten aus Husum seien eingetroffen, sie hätten im Kaiserhof am Neß Logis genommen und wünschten dringend, ihn zu begrüßen. Elsbeth habe gesagt, fügte Blohm ganz gegen seine Gewohnheit unaufgefordert hinzu, der junge Herr sei wohl am Nachmittag hiergewesen, sie habe ihn aber gleich zum Wandsbeker Gestüt geschickt,

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