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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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keine leisten, schon gar nicht im Gehäuse aus edlen polierten Hölzern, mit Messing und Emaille, Bronze und Silber verziert, mit vergoldeten Zeigern und Kapitellchen, wie er sie in den Bürgerhäusern gesehen hatte. Die kosteten weit mehr als seinen Lohn für ein ganzes Jahr.
    Bis zum Berg war es nicht weit, nur ein paar Schritte entlang dem östlichen Ende der Großen Johannisstraße. Er brauchte trotzdem ziemlich lange, denn in der engen Straße herrschte Aufruhr. Nicht weit von der Einmündung in den Berg verstopften ein Leiterwagen, hochbeladen mit Heu, und eine große Karre voller übelriechender Rindshäute vom Küterhaus den Durchgang. Ihre Räder waren einander im morgendlichen Gedränge zu nahe gekommen und nun fest ineinander verkeilt. Die Kollision mußte schon ein wenig hersein, denn das bei solchen Anlässen unvermeidliche Gebrülle und Gekeife der Beteiligten war schon vorüber. Auch der Klepper vor dem Wagen, vor vielen Jahren gewiß einmal ein stolzer Grauschimmel, schüttelte nur noch ab und zu unwillig seinen knochigen Kopf. Der Fuhrmann und der Gerbergeselle versuchten mit vereinten Kräften, ihre Gefährte wieder auseinanderzuziehen, wobei ihnen die verkeilten Räder weniger Schwierigkeiten bereiteten als der dicht um sie geschlossene Ring der Gaffer und eine ganze Horde zottiger Hunde, zu der sich auch noch ein schwarzbraunes, vergnügt quiekendes Schwein gesellt hatte. Aus der Menschenmenge flogen gute Ratschläge und schlechte Witze hin und her, und auf der obersten Stufe des Steintritts zur Buchhandlung Petit & Dumontier, die neben den verschiedensten, auch ausländischen Druckwerken ganz hervorragende Magenbitter und Liköre feilbot, standen zwei Knirpse und schleuderten Mirabellenkerne nach dem Hinterteil des Pferdes. Nur dessen Alter und Müdigkeit war es zu verdanken, daß aus dem Durcheinander auf der Straße kein Desaster wurde.
    Schließlich waren Wagen und Karren wieder frei, und Wagner erreichte ohne weiteren Aufenthalt die Uhrmacherwerkstatt. Aber sosehr er auch an die Tür klopfte, sosehr er an der Klinke rüttelte, niemand machte ihm auf. Die Uhrmacherwerkstatt war geschlossen. Auf dem Schild über der Tür las Wagner, daß der Vorname des Uhrmachers und Automatenbauers Pierre war. Pierre Godard. P und G.

NACHMITTAGS
     
    Augusta Kjellerup ließ Brooks schon auf der Straße vor der Einfahrt zum Klosterhof halten. Nicht nur weil die ziemlich eng war – der Herrmannssche Kutscher und Stallmeister würde keine Schwierigkeiten haben, den leichten Zweispänner hindurchzubugsieren –, sondern weil sie plötzlich eine ungewohnte Beklommenheit fühlte. Die wenigen Schritte von der Straße über den Hof zum Portal des Stifts würden ihr eine kleine Frist geben. Sie blickte zu der Statue des Evangelisten Johannes in seiner Muschelnische im Mauerwerk über der Einfahrt hinauf, betrachtete die Wappen der Vorsteher und Patrone links und rechts der Nische und trat schließlich mit einem kleinen Seufzer unter den Torbogen. Niemand, der Augusta Kjellerup heute kannte, konnte sich vorstellen, daß sie einmal eine schüchterne junge Frau gewesen war, die wenig mehr fürchtete als Besuche und Gesellschaften. Das war lange, sogar sehr lange her. Inzwischen hatte sie selbst die Empfänge des dänischen Königs überstanden, eines gelinde gesagt äußerst exzentrischen Herrschers. Sie hatte mit ihrem Mann in Kopenhagen ein großes Haus geführt, kurz und gut: Augusta hatte alle Freuden, Lasten und Peinlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens durchstanden, und nun wurde sie beim Besuch einer Stiftsdame nervös, die doch nichts war als eine alte Jungfer und Regentin über elf andere alte Jungfern (allerdings auch Mit-Regentin über den außerordentlich beachtlichen Besitz des Stifts, wenn da auch ärgerlicherweise die Patrone aus dem Rat mitmischten). Tatsächlich beunruhigte Augusta nicht die Position der als resolut, um nicht zu sagen herrschsüchtig bekannten Domina, sondern die Erinnerung an das Mädchen Mette van Dorting, deren durchdringenden Blick, treffsichere spitze Zunge und kühlen Geist sie vor nahezu fünfzig Jahren zu fürchten gelernt hatte.
    Aber wer war schon Mette van Dorting? Augusta rückte ihre Haube ein letztes Mal zurecht und trat durch die Toreinfahrt. Sie hatte es geahnt: Der Hof war von Ställen und anderen Wirtschaftsgebäuden umgeben, doch aufgeräumt wie die Diele eines Bürgerhauses am Tag vor Ostern. Selbst die beiden Katzen, die bewegungslos neben der Pumpe in der Sonne

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